90.000 Plätze

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER

So schön kann Föderalismus sein. Gestern grienten drei WissenschaftsministerInnen um die Wette, weil sie den Hochschulpakt nach monatelangem Gezerre unter Dach und Fach gebracht haben.

„Jetzt wird tatsächlich gehandelt“, sagte Jürgen Zöllner aus Rheinland-Pfalz für die SPD-regierten Länder. Jan-Hendrik Olbertz (Sachsen-Anhalt) freute sich für die Union über die „beachtliche Gemeinschaftsleistung“. Selbst Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU), bislang als radikale Föderalistin bekannt, jubelte über das Programm, das der Bund mit 1,3 Milliarden Euro sponsert: „Ich wollte nicht irgendeine Vereinbarung, sondern diesen Pakt zum I-Tüpfelchen machen, um 90.000 Plätze für neue Studienanfänger sicherzustellen.“

Das klingt gut, hat aber einen Schönheitsfehler. Die Ministerpräsidenten der Länder müssen dem Hochschulpakt ihrer Wissenschaftsfritzen noch zustimmen. Und anschließend alle Details in einen Staatsvertrag schreiben. Das dürfte nicht leicht fallen, denn Einzelheiten gibt es viele im Hochschulpakt.

Schließlich muss er einer widersprüchlichen Situation gerecht werden: Bis 2013 wird mit einem Anstieg der Studierendenzahlen von heute 2 Millionen auf dann 2,7 Millionen gerechnet. Dieser Zuwachs wird aber ausschließlich im Westen erfolgen, denn im Osten des Landes brechen die Anfängerzahlen nach 2010 regelrecht ein.

Vorgesehen ist nach derzeitigem Stand, dass Bund und Länder von 2007 bis 2010 jeweils 565 Millionen Euro zur Verfügung stellen. 15 Prozent davon erhalten pauschal die ostdeutschen Länder, die dafür sorgen, dass an ihren Universitäten keine Studienplätze abgebaut werden. Jeweils 3,5 Prozent pauschal bekommen Bremen und Hamburg, an deren Unis überproportional viele Studierende ausgebildet werden. Berlin erhält aus demselben Grund eine Vorabpauschale von 4 Prozent.

Den Hauptteil der Fördergelder erhalten die übrigen Bundesländer, sprich: die Westländer. Sie verteilen das Bundesgeld gemäß ihrer Bevölkerungszahl unter sich auf. Im Jahr 2009 wollen sie dann genau nachzählen, welches Bundesland tatsächlich Studienplätze aufgebaut hat – entsprechend wird Geld auch zurückgefordert. Es gebe dadurch eine „hohe Verbindlichkeit“, sagte Schavan und versprach zu überprüfen, wer sich an den Pakt hält und wer nicht.

Der Pakt enthält freilich eine Reihe von Vagheiten und Unsicherheiten. So können die Länder für sich allein festlegen, auf welche Art sie Studienplätze schaffen. Zöllner etwa kündigte für Rheinland-Pfalz an, eine neue Art Hochschuldozent namens Lecturer einzuführen und auch verstärkt studentische Tutoren einzusetzen. „Wir werden auch StudentInnen an der Ausbildung ihrer Kommilitonen beteiligen“, sagte Zöllner.

Unter Experten stößt der Pakt auf vorsichtige Zustimmung. Hochschulrektoren und Wissenschaftsrat begrüßten die Einigung – wiesen aber darauf hin, dass eine Milliarde Euro zu wenig im Pakt stecke.

Dieter Dohmen vom Berliner Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie sieht einen Schritt in die richtige Richtung. „Die Nagelprobe kommt im Jahr 2010“, sagte Dohmen der taz. Dann werde der Druck zum Abbau von Studienplätzen im Osten riesig, „weil die Studentenzahlen einstürzen“. Gleichzeitig explodieren in dieser Zeit die Studentenzahlen im Westen, weil zwei Abiturjahrgänge auf einmal auf den Markt drängen. „Dann wird man sehen, was der Pakt wert ist“, so Dohmen.

Der Hochschulpakt enthält zudem ein zweites Element in Höhe von 700 Millionen Euro, die der Bund alleine zahlt. Für alle von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsvorhaben legt der Bund 20 Prozent der Fördersumme als Pauschale obenauf.

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