Die Aufholjagd des Jan Peter Balkenende

Der niederländische Premier und seine christdemokratische Partei haben gute Chancen, bei den morgigen Wahlen stärkste Kraft zu werden. Vor allem die positiven Wirtschaftsdaten nützen der Regierung. Integration von Ausländern ist kein Thema

AUS AMSTERDAM KLARA ROSENBACH

Damit hätte vor ein paar Monaten wohl niemand gerechnet: Der amtierende niederländische Premierminister Jan Peter Balkenende steht mit seinen Christdemokraten (CDA) plötzlich wieder an der Spitze bei den Meinungsumfragen für die morgigen Wahlen. Nach den aktuellen Zahlen kommt Balkenendes Partei auf 41 Sitze im Parlament und erreicht damit fast dasselbe Niveau wie bei den Parlamentswahlen 2003. Balkenendes Koalitionspartner, die rechtsliberale VVD, kommt auf 23 Sitze, die Sozialdemokraten (PvdA) bekämen 36 und die Sozialisten 26 Sitze.

Bei den Gemeinderatswahlen im März hatte die CDA noch gewaltige Verluste hinnehmen müssen. Zwischenzeitlich waren nur noch 23 Prozent mit Balkenendes Politik zufrieden. Die Sozialdemokraten eroberten zahlreiche Städte zurück und konnten vor allem in der Diskussion über die Einwanderung punkten. Balkenendes Kabinett litt unter der harten Linie von Integrationsministerin Rita Verdonk (VVD), die forderte, auf Schulhöfen müsse ausschließlich Niederländisch gesprochen werden.

Aber in der Zwischenzeit ist die Integrationsdebatte fast ganz aus dem Wahlkampf verschwunden. Nur die Parteien am rechten Rand versuchen, das Thema wieder in die Diskussion zu bringen – aber fast ohne Erfolg. Die Freiheitspartei von Geert Wilders, dem selbsternannten Nachfolger des ermordeten Rechtspopulisten Pim Fortuyn, kommt nach den Umfragen auf fünf Sitze. Alle anderen rechten Splittergruppen finden noch weniger Beachtung bei den Wählern.

Balkenende und sein sozialdemokratischer Gegenspieler, Wouter Bos, streiten sich über den richtigen Weg für Hollands wirtschaftliche Zukunft. Und da hat Balkenende die besseren Karten: „Eine gute wirtschaftliche Lage nützt immer der Regierungspartei, und Balkenende hat es geschafft, den wirtschaftlichen Aufschwung als sein Verdienst zu verkaufen“, sagt André Krouwel, Politikwissenschaftler an der Freien Universität von Amsterdam.

Die Zahlen sprechen für das Kabinett. Zum ersten Mal seit Jahren geht es mit der niederländischen Wirtschaft wieder bergauf. Während die Arbeitslosenquote 2004 noch bei rund 5 Prozent lag, gehen Wirtschaftsexperten davon aus, dass sie 2007 auf 3,5 Prozent sinken wird. Schon jetzt verzeichnen die Niederländer mit 3,9 Prozent die niedrigste Quote in der Europäischen Union. Gleichzeitig steigt das Wirtschaftswachstum – voraussichtlich um 2,5 bis 3 Prozent im kommenden Jahr.

Auch die Zahl der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, sinkt allmählich. „Die Integration spielt im Wahlkampf praktisch keine Rolle mehr. Die Wähler interessieren sich mehr für Wirtschaftsfragen“, meint auch Joop van Holsteijn von der Universität Leiden. Bisher schaffen es die linken Parteien nicht, Balkenende und seinen Koalitionspartner auf diesem Gebiet anzugreifen.

„Wouter Bos ist nicht klar in seiner Botschaft. Dass seine Partei zu Beginn des Jahres in den Umfragen so gut dastand, hatte Bos eher der Unzufriedenheit der Menschen mit dem Kabinett Balkenende zu verdanken als seinen Vorschlägen“, meint Politikwissenschaftler van Holsteijn. Jetzt sieht Balkenendes Bilanz um einiges besser aus als im Frühjahr. „Die Menschen sehen, dass unsere Reformen notwendig waren und erste Früchte tragen“, meint dann auch Jan Peter Balkenende. Die Gesundheitsreform zu Jahresbeginn hat weitgehend funktioniert, die meisten Niederländer bezahlen weniger für ihre Versicherung als vorher.

Balkenende tourt zurzeit durchs Land und macht vor allem Werbung für seine Wirtschaftspolitik. Er bleibt dabei immer politisch korrekt und greift seine Konkurrenten nur vorsichtig an. „Balkenende ist der smarte Typ. Bei ihm wissen die Leute, woran sie sind. Er ist freundlich und gibt den Staatsmann“, sagt Eddy Habben Janssen vom Amsterdamer Institut für Politik und Öffentlichkeit.

Doch egal wer morgen die meisten Stimmen bekommt, eins steht fest: Eine erneute Diskussion über die Europäische Verfassung scheint in den Niederlanden nahezu unmöglich. Sowohl die CDA als auch die PvdA hat erklärt, das „Nee“ zu dem europäischen Vertrag vom Juni 2005 müsse auch über die Wahlen hinaus Bestand haben.