polizei & migranten
: Gut gehegte Klischees

„Eine Ansammlung von 80 bis 100 Jugendlichen ging massiv gegen Polizeibeamte vor“. Dieser eine Satz bewegt seit einer Woche die Stadt. Veröffentlicht hat ihn die Pressestelle der Polizei, nachdem am vergangenen Dienstag in Kreuzberg Beamte bei der Festnahme zweier Kinder behindert wurde. Tatsächlich hat maximal eine Handvoll Jugendlicher mit Polizisten gerangelt.

Kommentar von Gereon Asmuth

Doch jede andere Interpretation des Satzes liegt näher. Der Berliner Kurier schrieb: „100 Jugendliche machen Jagd auf Polizisten“. Die Berliner Zeitung berichtete von Beamten, die angeblich um ihr Leben hatten fürchten müssen. Die taz titelte: „Jugendliche fallen über Polizisten her“. Die Nachrichtenagentur dpa bezeichnete den Vorfall im Wrangelkiez noch gestern als „Massenschlägerei“. Der Tagesspiegel verstieg sich gar zu der Schlussfolgerung: „Das macht ratlos, das macht Angst, und zwar vielen Deutschen“.

Selbstverständlich ist es ein Problem, wenn der Großteil eines Kiezes der Polizei nicht mehr vertraut. Selbstverständlich muss nach vertrauensbildenden Maßnahmen gesucht werden. Selbstverständlich ist Handeln angesagt – mit Fingerspitzengefühl. Angst aber macht, wie schnell die Polizei in aufgeregten Migranten eine randalierende Masse sieht. Und wie fraglos die Medien daraus einen unkontrollierbaren Mob entstehen lassen.

Innensenator Körting hätte gestern im Parlament Gelegenheit zur notwendigen Aufklärung gehabt. Aber Details, glaubt Körting, würden nicht weiterhelfen. Dabei würden nur noch minutiös aufgelistete Fakten helfen. Andernfalls haben die Klischeeprediger auf allen Seiten weiterhin leichtes Spiel.

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