Wowereit holt sich Becks Gold

Der Regierende Bürgermeister wirbt seinem rheinland-pfälzischen Amtskollegen Kurt Beck den angesehenen Wissenschafts- und Kulturminister Jürgen Zöllner ab. Viel Lob für die unerwartete Wahl

VON MATTHIAS LOHRE

Zwei Wochen hat Klaus Wowereit dichtgehalten. So lange hat der Regierende Bürgermeister geschwiegen, wer für die SPD neu in den Senat einzieht. Gestern verkündeten er und SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller die beiden Namen: Der bisherige Wissenschafts- und Kulturminister von Rheinland-Pfalz, Jürgen Zöllner, wechselt in das neue Großressort Bildung, Wissenschaft und Jugend. Neue Justizsenatorin wird die Präsidentin des brandenburgischen Rechnungshofs, Gisela von der Aue. Damit ist die Riege der acht Senatoren komplett. Vor allem für die Verpflichtung des versierten Wissenschaftsministers Zöllner erntet Wowereit etwas, das er in den vergangenen Wochen selten hörte: Lob.

In einer eilig anberaumten Pressekonferenz verkündete Wowereit die Gewinnung des „herausragenden Kenners der Wissenschafts- und Bildungslandschaft“. Zöllner ersetzt den umstrittenen Bildungssenator Klaus Böger (SPD), der nach sieben Jahren aus dem Amt scheidet. Seit 1991 ist der heute 61-jährige Zöllner Minister in Mainz. Anfangs zuständig für Wissenschaft und Weiterbildung, wuchsen seinem Zuständigkeitsbereich in den Folgejahren die Bereiche Bildung und Forschung zu.

Bundesweit bekannt geworden ist der Expräsident der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz durch die Erfindung des Studienkontenmodells. Seit Mai 2006 ist Zöllner zudem Stellvertreter des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD). Dem sei die Zustimmung zum Fortgang seines langjährigen Ministers „nicht einfach“ gefallen, sagte Wowereit. Zur selben Zeit verkündete Beck in Mainz Zöllners Abgang.

Auf die Frage, was Zöllner vom vergleichsweise wohlhabenden Rheinland-Pfalz an die Spree zieht, antwortete SPD-Chef Müller: „Die Aufgabe in Berlin reizt, die Stadt reizt.“ Zöllner erwartet die Leitung des mit 37.000 Mitarbeitern größten Senatsressorts. Sein Geschick wird besonders wichtig für den rot-roten Senat, haben die Koalitionäre sich doch der Ausweitung des Bildungs- und Wissenschaftsstandorts Berlin verschrieben. Die Hauptstadt, forderte Wowereit gestern, solle bei weiteren „Exzellenzinitiativen“ der Universitäten vorne mitmischen. Bei der jüngsten Suche nach so genannten Elite-Unis ging Berlin weitgehend leer aus.

Für die neue Justizsenatorin Gisela von der Aue fanden Wowereit und Müller vergleichsweise zurückhaltendes Lob. Die 57-Jährige habe „als Juristin große Qualifikation“ und sei „in der Berliner SPD verankert“, urteilte Wowereit. Von der Aue ist seit November 1998 Präsidentin des Landesrechnungshofs von Brandenburg (siehe Text unten). Sie folgt Karin Schubert (SPD) im Amt nach. Morgen sollen der Regierende Bürgermeister und seine acht Senatoren im Abgeordnetenhaus vereidigt werden. Die SPD stellt neben Wowereit als Regierungschef fünf, die Linkspartei drei Senatoren.

Die Berliner Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Rose-Marie Seggelke, traut dem neuen Senator viel zu: „Wir sind sicher, dass es ihm gelingt, die Senatsverwaltungen Bildung und Wissenschaft zusammenzuführen“ und Bürokratie abzubauen. Die Grünen adeln Zöllner als „anerkannten Wissenschaftspolitiker“. Insgesamt besteche der Senat jedoch „durch Mittelmäßigkeit“.

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