Union beschließt kalten Entzug

Trotz positiver Ergebnisse: Für Schwerstabhängige gibt es künftig kein Heroin mehr

BERLIN taz ■ Dealer dürfen sich freuen – über 1.000 schwer Heroinsüchtige werden sich ihren Stoff weiterhin illegal beschaffen müssen. Die kontrollierte Abgabe von reinem Heroin an Abhängige läuft zum Jahresende aus. Lediglich die 350 Junkies, die derzeit noch am bundesweiten Projekt teilnehmen, dürfen ihre Behandlung im nächsten Jahr fortsetzen. Darauf einigten sich die Fraktionschefs von Union und SPD, Volker Kauder (CDU) und Peter Struck, in dieser Woche.

Damit setzte sich die Union gegen den Koalitionspartner und ihre eigenen Vertreter in Ländern und Gemeinden durch. Im Rahmen des Modellprojekts hatten die drei CDU-regierten Länder Niedersachen, Nordrhein-Westfalen und Hessen sowie sieben Städte Heroinambulanzen eröffnet. Süchtige, die mehrere Entziehungskuren erfolglos absolviert hatten, durften sich dreimal täglich unter Aufsicht spritzen und wurden psychologisch betreut. Eine ausgesprochen erfolgreiche Therapie und viel effektiver als die Methadonbehandlung, bilanziert das Zentrum für Suchtforschung in Hamburg nach Auswertung einer zweijährigen Begleitstudie. Die Wissenschaftler empfahlen, diese Behandlungsform in die Regelversorgung Heroinabhängiger aufzunehmen, reines Heroin also auf Rezept abzugeben.

Auf ihrem Treffen im November schlossen sich die beteiligten Länder und Kommunen sowie die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), dieser Empfehlung an.

Aber die Unionsfraktion im Bundestag verweigerte sich. Die drogenpolitische Sprecherin, Maria Eichhorn (CSU), zweifelt an der Aussagekraft der Studie. Heroin- und Methadonpatienten seien nicht unter vergleichbaren Voraussetzungen beobachtet worden. Ein Heroinempfänger kommt dreimal täglich in die Abgabestelle, ein Methadonpatient nur einmal pro Tag. „In Zeiten knapper Kassen ist es nicht zu rechtfertigen, für eine Behandlung drei- oder viermal so viel Geld auszugeben, wenn ihre Überlegenheit nicht zweifelsfrei erwiesen ist“, sagte Eichhorn.

Nach Ansicht der Drogenexpertin der Linksfraktion, Monika Knoche, wiegen jedoch die Erfolge die Mehrkosten auf. „Die Leute sind nicht mehr kriminell, die Beschaffungskriminalität geht zurück. Im Endeffekt sparen die Länder.“ Knoche kritisierte die Union wegen ihres „ideologisch-fundamentalistischen Gebarens“. Dass die SPD gegen ihre Überzeugung da mitmache, sei eine üble Sache. „Im Koalitionsvertrag ist das Thema nicht geregelt, die Partei wäre also frei in ihrer Entscheidung.“ Nun will die Linkspartei auf parlamentarischem Wege versuchen, Heroin für einen bestimmten Personenkreis zu legalisieren. Derzeit liegen Anträge von Linkspartei und Grünen vor, über die der Gesundheitsausschuss noch im Dezember abstimmen könnte.

ANNA LEHMANN