herr tietz macht einen weiten einwurf
: Beobachtungen im Speckgürtel

FRITZ TIETZ macht sich so seine Gedanken über die sportive Bedeutung eines automatischen Garagentors

In einem TV-Bericht neulich über Christoph Daums spektakulöse Inthronisierung beim 1. FC Köln war in einigen Ausschnitten auch des Trainers Privathaus zu sehen. Keine Ahnung, wo genau in Köln sich dieses offenbar recht stattliche Gebäude befindet. Anscheinend in einem eher ruhigen und jedenfalls besseren Wohnviertel, wie man so sagt. So viel immerhin ließ sich aus den paar Bildern schließen von Daums architektonischem Albtraum in Weiß, wie er für die im Maklersprech als Toplagen apostrophierten Speckgegenden deutscher Großstädte so typisch ist. In solchen Bauten wohnen gemeinhin Leute wie du vielleicht, aber ich nicht: gehobene Mittelständler, Emporkömmlinge, Neureiche, Freizeitgolfer, Zahnärzte, Zuhälter, mittleres Management. Und eben auch der frisch installierte Fußballtrainer des 1. FC Köln.

Dramaturgischer Höhepunkt besagten Berichts war übrigens ein, wenn auch nur kurzer Auftritt Seiner Durchknall selbst. Hektisch aufgerissenen Auges sah man Daum da im Mercedes rückwärts aus der Garage seines Anwesens kommen. Dann ließ er das Seitenfenster ein Stück weit runter. Jedoch nicht, wie ich zunächst annahm, um der zahlreich wartenden Journaille ein Statement zu geben, sondern bloß um eine kleine Fernbedienung aus dem Fensterspalt zu halten und diese einmal sehr energisch zu drücken. Und siehe da, wie von Geisterhand bewegt, schloss sich daraufhin das Garagentor. Daum aber ließ anschließend die Seitenscheibe wieder hoch und fuhr davon.

Schon lange her, als auch ich mich einmal vor dem Haus eines Fußballstars herumdrückte. Das Statussymbol Garagentorfernbedienung gab es da aber noch nicht. 1971 muss das gewesen sein. Ich war zwölf Jahre alt und Arminia Bielefeld, gerade erstmals in die Bundesliga aufgestiegen, mein über alles geschätzter Verein, denn ich lebte in dieser Stadt und die Alm, das Stadion, lag keine 30 Minuten Fußweg von meinem Elternhaus entfernt. Kaum ein Heimspiel, das ich verpasste. Meine Helden hießen Ernst „Jonny“ Kuster, Gerd Siese oder Gerd Roggensack, um nur drei Arminen zu nennen. Ihnen konnte man übrigens nicht nur an den Spieltagen auf’m Platz, sondern häufig auch unter der Woche in der Stadt begegnen. Vom Vollprofitum weit entfernt, gingen die meisten Spieler damals noch einem Brotberuf nach.

Torwart Siese etwa war Malermeister mit einem eigenen Betrieb. Oft genug sah man ihn in seinem Firmenwagen, einem blauen Kasten-R 4 herumkacheln. Unvergessen, wie ich ihn einmal, angetan mit einem Malerkäppi auf dem gelockten Dez, irgendwo in der Stadt einen Fensterrahmen streichen sah. Natürlich bin ich gleich da hin und guckte ihm so lange bei der Malerarbeit zu, bis er mich endlich wahrnahm und, freundlich mit dem Pinsel winkend, herübergrüßte. Mittelstürmer Jonny Kuster war Bademeister. Im Sommer schob er in unserem Freibad und im Winter auch im städtischen Hallenbad Beckenwache. Einmal bin ich, obwohl es verboten war, vor seinen Augen vom Seitenrand aus ins Tiefe gesprungen, nur um der Ehre willen, vom Bielefelder Torschützenkönig persönlich aus dem Wasser gepfiffen zu werden und eine Standpauke von ihm zu erhalten – die mir der knorrige Mann dann auch in bester Bademeistermanier erteilte.

Ich weiß nicht, was Gerd Roggensack damals hauptberuflich machte, aber er wohnte praktisch in der Nachbarschaft, in einem eher schmucklosen Hochhaus am Ende einer Sackgasse in unserer damals überwiegend kleinbürgerlich geprägten Gegend. Dort drückte ich mich gelegentlich mit meinen Kumpeln herum, und ab und an konnten wir Roggensack tatsächlich aus dem Haus kommen sehen. Zu Fuß selbstverständlich und immer vorwärts und nicht etwa rückwärts mit dem Auto, denn eine ins Haus integrierte Garage gab es da natürlich nicht. So konnten wir ihm freiweg den almüblichen Schlachtruf „Zickzack Roggensack“ entgegenschleudern. Der Bielefelder Stürmerstar aber pflegte diese Huldigungen seiner kleinen Fans immer sehr leutselig entgegenzunehmen. Roggensack nickte uns freundlich zu. Manchmal sprach er sogar ein paar Takte mit uns.

Fotohinweis: Fritz Tietz ist 47 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport