Der gespaltene Sport

Während Vertreter des Deutschen Olympischen Sportbundes betrügerische Sportler vor dem Zugriff des Staates schützen wollen, wächst die Zahl der Befürworter einer „Besitzstrafbarkeit“ für den Athleten

„Wir brauchen eine sehr enge Partnerschaft mit dem Staat“

BERLIN taz ■ Es wird derzeit heftig gestritten im deutschen Sport. Doping ist das Thema und der Kampf gegen den Medikamentenmissbrauch. Diskutiert wird über ein Antidopinggesetz, das die Einnahme, den Handel und die Weitergabe von Dopingsubstanzen hart und kompromisslos bestraft. Nicht nur die Hintermänner – Ärzte, Physiotherapeuten, mafiöse Dopinghändler – sollen mit Sanktionen rechnen müssen, sondern auch betrügerische Sportler. Daran scheiden sich die Geister.

Der Deutsche Olympische Sport-Bund (DOSB) und sein Chef Thomas Bach betreiben intensives Lobbying gegen die sogenannte Besitzstrafbarkeit des Athleten. Sie behaupten, Strafrechtsprozesse gegen Sportler würden das Sportrecht aushebeln. Konkret: Wird ein Sportler wegen positiver A- und B-Probe im Regelfall für zwei Jahre von einem Sportschiedsgericht gesperrt, vor einem ordentlichen Gericht aber freigesprochen, führe das zu erheblichen Kollisionen zwischen Strafrecht und Sportrecht – behauptet der DOSB. Der Sportbund hat vor geraumer Zeit eine Kommission gebildet, die „Thiel-Kommission“, benannt nach der Präsidentin des Schwimmverbandes. Die Thiel-Runde hat ein tendenziöses Thesenpapier verfasst, das dem fast nur Argumente gegen die Besitzstrafbarkeit enthält.

Nada-Chef Roland Augustin hat sich bereits vom Inhalt des Schreibens distanziert. Auch andere um Aufklärung bemühte Juristen wie Ulrich Haas halten nichts von dem Schriftstück, dessen Zustandekommen ein Abgesandter des Bundesinnenministeriums protokolliert hat. Besonders erregt hat eine Passage, die vor einem strengen Gesetz warnt, weil dadurch potenziell dopende Sportler davon abgehalten würden, an Wettkämpfen in Deutschland teilzunehmen – eine entlarvende Formulierung, die flugs aus dem Papier herausredigiert wurde. Diese Passage habe nicht die Meinung des DOSB widergespiegelt, ließ Generaldirektor Michael Vesper auf einem Antidoping-Forum der SPD am Mittwoch in Berlin wissen. Vielerlei Meinungen seien gesammelt worden, einen Wust von Anlagen habe es gegeben, da könne so etwas schon mal passieren. „Außerdem haben wir die Stelle ja jetzt getilgt“, so Vesper, der, je länger die Diskussion im Willy-Brandt-Haus dauerte, desto ungehaltener wurde und zunehmend Argumente ins Feld führte, die von seinen Diskussionspartnern – allesamt vehemente Befürworter der Besitzstrafbarkeit – nonchalant zerpflückt wurden

Clemens Prokop, Präsident des Leichtathletik-Verbandes, zugleich Amtsrichter, sagte: „Wir brauchen eine Partnerschaft mit dem Staat, so eng wie möglich.“ Man habe am Fall des Leichtathletiktrainers Thomas Springstein gesehen, wie der Staat, das heißt die Magdeburger Staatsanwaltschaft, an ihre Grenzen gestoßen sei. „Diesen Fall als Beispiel für das Funktionieren der Rechtslage herzunehmen, halte ich für bedenklich. Denn dass eine minderjährige Sportlerin gegen ihren Trainer aussagt, ist einmalig in der deutschen Sportgeschichte.“ Man brauche also staatliche Ermittlungsmöglichkeiten. Der Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, Peter Danckert (SPD), berichtete von einem Gespräch mit dem Magdeburger Oberstaatsanwalt, der ihm gebeichtet habe: „Wenn wir die Besitzstrafbarkeit gehabt hätten, dann hätten wir weiter ermitteln können.“

Dass sich Prokop und der DLV schon jetzt nicht mit der unbefriedigenden Rechtslage abfinden wollen, verdeutlichen die Strafanzeigen gegen den holländischen Leichtathletik-Manager Jos Hermens und den spanischen Arzt Miguel Anguel Peraita. Zudem hat der DLV gegen die frühere Rundenläuferin Grit Breuer, den 800-Meter-Olympiasieger Nils Schumann und die Hürdenspezialistin Ulrike Urbansky sportrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen die Antidopingbestimmungen eingeleitet. Grundlage: Die Akten aus dem Springstein-Prozess.

Prokop ist freilich skeptisch, was die Strafanzeigen angeht. Er sagte in Berlin: „Wir haben in den vergangenen Jahren in jedem Fall Strafanzeige erstattet und haben immer von der Staatsanwaltschaft Einstellungsverfügungen bekommen.“ Das müsse sich künftig ändern. Damit es zu einem effektiven Gesetz kommt, müsse der DOSB endlich seine „inkonsequente und unverständliche Sichtweise“ ändern, mahnte auch Danckert. Clemens Prokop plädierte schließlich dafür, die unversöhnlichen Standpunkte aufzugeben und zu einer Lösung im Streit um die Besitzstrafbarkeit zu finden – im Sinne des Kampfs gegen Doping.

MARKUS VÖLKER