WAS MACHT EIGENTLICH ...… das virtuelle Gästebuch des Senats?
: Endlich mal aufregen

Berlin ist gastfreundlich. Auch das gemeine Volk darf Spuren hinterlassen. Unter www.ber lin.de/buergeraktiv/gaestebuch kann sich jeder seine Sorgen von der Seele schreiben. Die Senatskanzlei, die die Internetseite betreibt, versteht das als „Marktplatz der Meinungen“. Autoren könnten „sicher sein, hier finden Sie Gehör“.

Dennoch war bis vor wenigen Tagen kaum bekannt, dass die Landesregierung diesen Abwurfplatz für Gemeintes bereithält. Dann aber meldete sich das „Berliner Institut für Faschismus-Forschung“ (BIFFF) zu Wort. Das war zuvor nur damit aufgefallen, dass es dem gastfreundlichen Klaus Wowereit vorwarf, für das Fetisch-Festival „Folsom Europe“ ein Grußwort geschrieben zu haben.

Nun kramte das BIFFF Einträge aus dem Senatsgästebuch hervor, die dort seit rund einem Jahr verstauben. Darin wurde etwa der Holocaust-Leugner David Irving verteidigt. Auch ein paar fremdenfeindliche Äußerungen finden sich unter den tausenden Beiträgen.

Schon ist die Aufregung groß. Die Grünen: fassungslos. Der Zentralrat der Juden: verständnislos. Die Linkspartei: peinlich berührt. Die Senatskanzlei bedauert eilig, dass trotz aller regelmäßigen Prüfung „da mal was durchgerutscht“ sei, und lässt nun alle Archiveinträge aus den Jahren 2004 und 2005 nochmals prüfen.

Prinzipiell aber soll das Gästebuch offengehalten werden. Denn so etwas gehöre zum Standard jeder Stadt, betont Hans-Friedrich Müller, Referatsleiter in der Senatskanzlei. Allerdings sei bei einem offenen Diskussionsforum Missbrauch nie völlig auszuschließen, weiß Müller. In funktionierenden Foren – wie dem Senatsgästebuch – wird unakzeptablen Ausreißern in der Regel aber von anderen Autoren widersprochen. Ganz so, wie man sich das in einer funktionierenden Demokratie wünscht.

So richtig froh über die Aufregung ist nur das BIFFF. Das ergötzte sich gestern in einer Pressemitteilung darüber, dass es endlich mal von den Medien zitiert wurde. Denn ansonsten geht es dem Institut wie dem virtuellen Senatsgästebuch. Es weiß eigentlich niemand, dass es so was gibt. GA Foto: Archiv