Heimtückische Urteile

Werden Frauen in der Rechtsprechung benachteiligt? Die Legal Gender Studies etablieren sich auch in Deutschland

Eine Frau ermordet den Ehemann, der sie jahrzehntelang gequält und geprügelt hat, als er schläft. Das Urteil: neun Jahre Knast. Ein Mann ermordet die Frau, die sich von ihm trennen will, aus Eifersucht. Das Urteil: zwei Jahre auf Bewährung. Irgendwie schräg? Das liegt, so argumentiert feministische Rechtswissenschaft, am von Männern gesetzten Recht.

Dieses und andere Phänomene wurde am Wochenende auf einer Tagung der Berliner Humboldt-Universität erörtert, mit der das erste deutsche Studienbuch „Feministische Rechtswissenschaft“ vorgestellt wurde. In einem Workshop der Tagung wurde die oben erwähnte „Tötung des Familientyrannen“, ein realer Fall, von der Göttinger Juristin Friederike Wapler und der Berliner Rechtsanwältin Bärbel Sachs analysiert. Jemanden im Schlaf umzubringen, gilt als „heimtückisch“, weil das Opfer „arglos“ schläft. Heimtücke aber ist eines der Merkmale, die aus einem Totschlag einen Mord machen und das Strafmaß erhöhen.

Der eifersüchtig mordende Mann dagegen handelt nach Meinung vieler Richter „im Affekt“, was eher zum Totschlag passt. Dahinter steht die Vorstellung, dass die „Affekte“ von jemandem, der losprügelt, mildernd zu werten sind. Drauflosprügeln tut man aber eher, wenn man der Stärkere ist. Die schwächere Person dagegen wehrt sich dann, wenn sie eine Chance auf Erfolg sieht – zum Beispiel, wenn der Stärkere schläft. Dies aber wird ihr dann als „Heimtücke“ ausgelegt.

Man könnte also sagen, das Strafrecht begünstige in diesem Fall den jeweils Stärkeren und benachteiligt den Schwächeren. „Jeder, der körperlich unterlegen ist und deshalb eine List anwendet, kann nur einen Mord begangen haben und keinen Totschlag“, resümierte Bärbel Sachs. Die Juristinnen sind übrigens nicht der Ansicht, dass das Strafrecht nun gleich umgeschrieben werden muss. Die Richter könnten auch annehmen, dass eine jahrelang verprügelte Frau, die immer noch bei ihrem Mann bleibt, offenbar psychisch so derangiert ist, dass sie keine andere Lösung sieht, als ihn umzubringen. Das Strafrecht kennt dafür den Terminus „Entschuldigender Notstand“, nach dem eine solche Frau sogar freigesprochen werden könnte.

Dazu allerdings müssten Richter Einblick in die besondere psychische Konstellation geschlagener Frauen haben, die die Soziologie als „battered women syndrome“ beschreibt und die erklärt, warum geschlagene Frauen oft in einer Art psychischen Abhängigkeit vom Schläger verharren. Um so etwas zu berücksichtigen, müssten Richter sich aber überhaupt erst einmal fortbilden. Wozu der deutsche Staat sie nicht verpflichtet. OES