Revolution im Hinterzimmer

Der korrupte Volleyballweltverband FIVB, der in Japan gerade die Weltmeisterschaft der Männer veranstaltet, bekommt Konkurrenz. Die FIABVB will eine echte Alternative anbieten – inklusive Transparenz, Demokratie und Gewaltenteilung

AUS KOPENHAGENBORIS HERRMANN

Es gibt einfachere Dinge im Leben, als eine Revolution anzuführen. Danton hat das erfahren, John Lennon auf seine Weise ebenfalls, und Mario Goijman weiß das inzwischen auch. Seit Gegner heißt Rubén Acosta, der seit 1984 im Stil eines mittelalterlichen Fürsten über den Volleyball-Weltverband FIVB herrscht. Goijman sammelte Berge von Beweise gegen Acosta. Sie bezeugen, wie Acosta allein zwischen 1996 und 2004 rund 19 Millionen US-Dollar an Verbandsgeldern auf private Konten umgeleitet hat, wie er Hingucker entfernt und die Weggucker mit Edelhuren bei Laune hält.

Goijman kämpfte bislang einen einsamen Kampf gegen Acostas Reich. Er verlor dabei Geld, Zeit, Prozesse – und sein Amt als argentinischer Volleyballpräsident. Seit diesem Wochenende ist Goijman zumindest nicht mehr allein. Während Acosta nach bewährtem Brauch eine für ihn lukrative WM in Japan veranstalten lässt, hat sich in Kopenhagen erstmals eine Widerstandsfront gegen den ewigen Verbandsfürsten formiert. „Das ist ein historischer Moment für unsere Sportart“, sagte Goijman zur Begrüßung der 30 Delegierten, die nach Dänemark gekommen waren, um mit ihm den alternativen Weltverband FIABVB zu gründen.

Grüße aus Tschad

Angesichts der Tatsache, dass die FIVB mit 33 Millionen Sportlern den drittgrößten Sportverband der Welt bildet, stellen 30 Aufständische, die sich in einem dänischen Konferenzzimmer treffen, natürlich noch keine reale Bedrohung dar. Die FIVB muss sich mittelfristig dennoch Sorgen machen, denn die Dunkelziffer der Acosta-Gegner ist groß, und der neue Verband hat etwas anzubieten, was es im Volleyball seit 22 Jahren nicht mehr gegeben hat: Transparenz, Gewaltenteilung, freie Wahlen. Goijman sagt: „Wir wissen, dass wir in der Mehrheit sind, aber noch sind wir eine stille Mehrheit.“

Ob jemals eine einflussreiche Mehrheit daraus wird, dürfte vom frisch gewählten FIABVB-Präsidenten Jean-Pierre Seppey abhängen. Der emsige Schweizer weiß, dass er den Sportlern am Ende nicht mit demokratischen Grundsätzen, sondern mit attraktiven Wettbewerben kommen muss. 2008 will Seppey erstmals eine Junioren-WM veranstalten, ein Jahr später sollen die Senioren folgen, und 2012 will er bereits bei den Olympischen Spielen in London mitmischen. An großen Zielen mangelt es nicht. Aber noch beschränkt sich das Sportangebot auf eine zweitklassige italienisch-slowenische Beachvolleyball-Tour mit dem Namen Proseries.

Dazu kommt, dass sich zwar offiziell Organisationen aus 35 Ländern solidarisch erklärten – darunter der Tschad, Djibouti und Guinea-Bissau. Offizielle Vertreter bedeutender Verbände ließen sich in Kopenhagen nicht blicken. Goijman erklärt das mit einer Mischung aus Angst und Feigheit: „Die europäischen Organisationen werden bedroht, nicht an dieser Initiative teilzunehmen. Sie haben nicht den Mut, hier aufzutauchen und zu sagen, was sie wissen.“ Der deutsche Verbandspräsident Werner von Moltke hatte als einer der Ersten verlauten lassen, dass er von Heckenschützen nichts halte. Deutschland war stattdessen durch Arne Kiesewetter vertreten, der fleißig Visitenkärtchen verteilte, die ihn als Gründer des Deutschen Beach- und Volleyball Verbandes (DBVV) auswiesen. Außer Kiesewetter scheint aber bislang kaum jemand von diesem Projekt zu wissen.

Mangelnde Unterstützung ist nur ein Problemfeld der FIABVB, ein größeres könnte ihr Präsident selbst werden. Jean-Pierre Seppey hat mehrere Jahre als Generalmanager am Hofstaat von Acosta gedient. Er hat beim Vertuschen geholfen und Kritiker bekämpft. Die meisten Gründungsmitglieder des neuen Weltverbandes kennen ihn noch als gnadenlosen Gegner. Erst nachdem Seppey im Sommer 2005 bei der FIVB in Ungnade gefallen war, wechselte er die Seiten.

„Ich hasse diesen Mann“

Goijman sagt: „Ich hasse diesen Mann noch heute dafür, dass er mich über all die Jahre bekämpft hat. Er war ein sehr loyaler Manager des Diktators.“ Das Einzige, was Goijman und Seppey verbindet, ist Rubén Acosta, ihr gemeinsamer Todfeind. Sie haben gelernt, dass sie ihre Kräfte vereinen müssen, um gegen ihn eine Chance zu haben. Der stille Argentinier Goijman verleiht der FIABVB Glaubwürdigkeit, der agile Schweizer Seppey bringt seinen bestens funktionierenden Machtinstinkt ein, den er auch den Revolutionären von Kopenhagen nicht vorenthielt.

Die Frage nach seiner überraschenden Läuterung tat Seppey mit gefalteten Händen ab: „Wir dürfen die Vergangenheit nicht vergessen, aber jetzt sollten wir über die Zukunft sprechen.“