Eisbeutel im guten Klima

Die Spanier von Ciudad Real dominieren die Handball-Europameisterschaft der Vereinsmannschaften

KÖLN taz ■ „Was soll das?“, fragte Sergei Rutenka und war dann sauer. Das Wochenende war einfach nicht seins. Dabei hatte die Europameisterschaft der Vereinsmannschaften, die zwischen den amtierenden Siegern der Champions League (BM Ciudad Real), des EHF-Pokals (TBV Lemgo), der Pokalsieger (Chehovski Medvedi) und einem von der EHF ausgewählten Gastgeber (diesmal der VfL Gummersbach) ausgespielt wurde, so gut für ihn begonnen.

Mit drei Toren war der Rückraumschütze von Ciudad Real in einer schwachen ersten Halbzeit des zur Zeit weltbesten Clubteams gegen die Russen von Medvedi Chechovski einer der wenigen Lichtblicke gewesen. Doch bereits in der 34. Minute war das Turnier für ihn gelaufen. Ohne Gegnereinwirkung lag der 25-Jährige nach einem Sprungwurf plötzlich im gegnerischen Torkreis. Diagnose: Muskelfaserriss im Oberschenkel des Sprungbeins. Für den Rest des Wochenendes waren für den gebürtigen Weißrussen mit slowenischem Pass Gehhilfen und Eisbeutel die ständigen Begleiter.

Dennoch war es nicht die Sorge um die Verletzung, die Sergei Rutenka am Sonntag vor dem Finale, das sein Club durch eine immense Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit auch ohne ihn erreicht hatte, ärgerlich stimmte. Eine Handballzeitung hatte über Ciudad Real geschrieben: „Luxusspielzeug des Milliardärs Domingo Díaz de Mera“. Rutenka: „So ein Quatsch! Das Einzige, was daran stimmt, ist, dass Domingo viel Geld hat“, schimpfte er. „Klar kann man sagen, dass bei uns viele Stars spielen, und sicherlich werden wir auch sehr gut bezahlt, aber was keiner wissen will: Wir haben ein tolles Klima im Verein und in der Mannschaft, wir verstehen uns prima.“

Tatsächlich hatte man auch im Endspiel gegen den VfL Gummersbach, der im ersten Halbfinale mit 34:33 glücklich gegen Lemgo gewonnen hatte, nicht im Entferntesten den Eindruck, hier leiste eine zusammengekaufte Söldnertruppe ihren Dienst. Die rund 15.000 Zuschauer in der Kölnarena wurden trotz der klaren Dominanz des Titelverteidigers bestens unterhalten. War es im Halbfinale gegen die junge Mannschaft der russischen Trainerlegende Wladimir Maximow bisweilen noch etwas holprig gelaufen, spielte Ciudad Real im Finale seine Weltklasse voll und ganz aus. Angeführt vom reaktivierten Trainer Talant Duschebajew zeigte der alte und neue Clubeuropameister, wie mitreißend schön professioneller Handball sein kann.

Doch auch der Handball in Deutschland ist aus dieser als Generalprobe für die im Januar 2007 stattfindende WM postulierte Veranstaltung als Sieger hervorgegangen. Markus Baur zeigte sowohl im Halbfinale als auch beim Sieg seines TBV Lemgo im Spiel um Platz drei eine überaus starke Leistung, und auch seine Nationalmannschaftskollegen Carsten Lichtlein und Michael Hegemann (ebenfalls TBV Lemgo) wussten zu gefallen.

Ebenso gut gerüstet scheinen die Verantwortlichen für den WM-Endspielort Kölnarena. Einzig, dass der bereits erwähnte Präsident von Ciudad Real nach dem Titelgewinn nicht in die Kabine seines Teams gelassen wurde, könnte als kleiner Fauxpas gewertet werden. Wobei das Problem hierbei vermutlich nicht am Verkennen, sondern am mangelnden Erkennen des physisch unscheinbaren und jedermann stets mit freundlicher Höflichkeit begegnenden Díaz de Mera gelegen haben wird. Oder auch schlicht an der Tatsache, dass er keine für den Innenraumzugang notwendige Akkreditierung bei sich trug.

ANKE BARNKOTHE