Arbeitslose haben Anspruch auf Ateliers

Wegweisendes Urteil für Freiberufler: Zwei arbeitslose Künstler hatten das Jobcenter aufgefordert, die Kosten für ihre Ateliers befristet zu übernehmen – zunächst ohne Erfolg. Das Bundessozialgericht entschied nun für die Künstler

Zwei freischaffende Berliner Künstler haben einen Rechtsspruch erwirkt, der für erwerbslose Freiberufler wegweisend ist. Die Berufskünstler, die wegen ungünstiger Auftragslage seit 2005 gezwungen waren, Arbeitslosengeld II in Anspruch zu nehmen, hatten die befristete Übernahme von Atelierskosten durch das zuständige Jobcenter beantragt. Das Atelier sei zur Ausübung ihrer künstlerischen Tätigkeit – und damit zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben – unerlässlich, argumentierten sie. Das Jobcenter hatte dies abgelehnt, es sah für einen solchen Anspruch keine rechtliche Grundlage. Auch Sozialgericht und Landessozialgericht hatten diese Sichtweise bisher bestätigt.

Anders sah es nun das Bundessozialgericht: Für die Übernahme der Atelierskosten durch das Jobcenter bestehe insofern eine Rechtsgrundlage, als sie unter Umständen zu den „weiteren Leistungen“ zu zählen seien, die „für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich“ seien, heißt es im Urteil. Voraussetzung solcher Leistungen, so das Gericht weiter, sei es, dass ein schlüssiges Konzept „zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfsbedürftigkeit“ vorliege. Ob diese Voraussetzung tatsächlich erfüllt ist, sei in jedem Einzelfall von den Jobcentern und den Sozialgerichten zu prüfen. Im vorliegenden Fall war eine solche Prüfung unterlassen worden.

Für Bernhard Kotowski, Geschäftsführer des Berufsverbands Bildender Künstler Berlins (BBK), ist der Sachverhalt klar: „Ohne das Atelier ist den Kunstschaffenden eine professionelle Berufsausübung verwehrt.“

Kotowski sieht in dem Fall ein prinzipielles Problem angesprochen. „Jobcenter sind auf freiberufliche Arbeit noch nicht hinreichend vorbereitet, die passt nicht in deren Raster“, klagt er. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts habe darum Signalcharakter. Jobcenter würden dazu aufgefordert, Erwerbstätigkeiten jenseits der Festanstellung ernster zu nehmen als sie dies bislang tun. Schon der Begriff „Arbeitslosengeld“ zeigt für Kotowski eine verengte Sichtweise auf: „Ein freiberuflicher Arbeitslosengeldempfänger sucht ja oft keine Arbeit – er hat sie, er übt seinen Beruf weiter aus.“

Die beiden Künstler können von ihrem Beruf inzwischen wieder leben. Sie konnten die Arbeit in dem Atelier fortsetzen, trotz der Entscheidung des Jobcenters. Der Besitzer des Ateliers hatte ihnen die Miete gestundet – und so auf seine Weise die vom Gericht geforderte „Eingliederung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben“ ermöglicht.Markus Wanzeck