Der kleine Störer aus Düsseldorf

Abgestraft? Wie Jürgen Rüttgers in den nächsten Jahren dennoch im Gespräch bleiben könnte. Die taz-Prognose

Dezember 2006: Der Bundesrat berät die umstrittene Gesundheitsreform der großen Koalition. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ergreift in der hitzigen Debatte das Wort. Zuvor hat er die „Lebenslügen“ der gesetzlichen Krankenversicherung bereits in der Apotheken-Umschau gegeißelt. Das Gesetz kommt trotzdem durch – Rüttgers steht aber als Rächer der Kassenpatienten, Gerontologen und Fußpfleger da.Januar 2007: Bei einem Festvortrag vor Kirchenvertretern in Pulheim schlägt Jürgen Rüttgers eine „Generalrevision der Föderalismusreform“ vor. „Wir brauchen länderübergreifende Kooperationen – vor allem ich“, sagt er. Das wäre eine „patriotische Leistung“.Herbst 2007: Rüttgers und seine schwarz-gelbe Koalition wollen der Bundesregierung das Schuldenmachen verbieten. „Ich wollte eigentlich noch gar nicht reden“, sagt Rüttgers, als er in der Parlamentsdebatte ans Rednerpult gebeten wird.Herbst 2008: CDU-Bundesparteitag in Erfurt. Rüttgers fordert nach dem Reformparteitag von Leipzig und dem Abstrafparteitag von Dresden einen Parteitag mit dem Themenschwerpunkt „Wir in NRW“. Das Parteipräsidium bügelt den Vorschlag ab. Bei der Wahl der Merkel-Stellvertreter tritt nicht mehr Jürgen Rüttgers, sondern sein NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann an. Der Münsterländer bekommt überraschend 93 Prozent der Stimmen – mehr als Koch und Wulff zusammen.Sommer 2009: Die CDU beginnt den Bundestagswahlkampf 2009. Im ganzen Land machen Christdemokraten Reklame für die allseits beliebte beste aller Kanzlerinnen, Angela Merkel – die Ostdeutsche ähnelt in Amtsstil und Habitus immer mehr ihrem Ziehvater Doktor Helmut Kohl. Regierungschef Jürgen Rüttgers fährt in den Urlaub nach Südfrankreich – bis zum Wahltag gibt er täglich ein Merkel-kritisches Sommerinterview. Unter anderem beklagt Jürgen Rüttgers die Tatenlosigkeit der Regierung bei der Rentenerhöhung: „Wir brauchen am Wahltag Rentner statt Kinder.“Frühjahr 2010: Die große Rheinflut. Dank Rüttgers‘ zupackendem Krisenmanagement kann eine humanitäre Katastrophe verhindert werden. In Gummistiefeln beschwört er das große C: „Wir sind nicht nur sozial, sondern auch christlich.“ Bei der Landtagswahl am Muttertag im Mai 2010 verpasst Rüttgers ganz knapp die absolute Mehrheit. „Sie werden verstehen, dass mir das Ergebnis nicht gefällt“, sagt Rüttgers und tritt beleidigt zurück. Er arbeitet fortan als Spülmaschine für seine Frau Angelika. JOE, TEI