Polizei an der langen Leine

Bei einer Anhörung tragen Anti-NPD-Demonstranten ihre Beobachtungen zusammen und fordern Konsequenzen

Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) soll die politische Verantwortung für die Übergriffe der Polizei auf TeilnehmerInnen der Anti-NPD-Kundgebung am 4. November übernehmen. Dies forderten gestern Augenzeugen und Beteiligte bei einer Anhörung in der Bremer Bürgerschaft. Am 7. Dezember will der grüne Innenpolitiker Matthias Güldner die Vorfälle in der Innendeputation diskutieren.

Das nach wie vor wenig Strafanzeigen von Geschädigten eingegangen sind, obwohl, so Güldner, „schwere Straftaten“ der Polizeibeamten auf Video dokumentiert seien, stellt für ihn ein Problem dar: „Es ist leider so: Wo kein Kläger, da kein Richter.“

Eine Anwesende widersprach dieser Auffassung: Die Aufarbeitung dürfe sich keinesfalls auf die strafrechtliche Verfolgung einzelner Polizisten beschränken. „Bei der Polizei gibt es klare Hierarchien und somit klare Verantwortlichkeiten.“ Wer angeordnet habe, scharfe Polizeihunde „an der langen Leine und ohne Maulkorb“ durch friedliche Menschenmengen zu führen, der müsse dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Schließlich seien mehrere Menschen gebissen worden.

AnwohnerInnen berichteten, die Übergriffe der Polizei hätten sich im späteren Verlauf des Tages fortgesetzt. So sei ein Jugendlicher nach dem Ende der Demonstration in einer Seitenstraße von einem Polizeitrupp aufgriffen, zu Boden geworfen und verprügelt worden, so eine Augenzeugin. Gewehrt habe er sich nicht. Eine andere Zeugin berichtete von einem ähnlichen Vorfall. Ein Anwesender nannte die Darstellung der Ereignisse durch die Polizei auf der Pressekonferenz vom Dienstag „verdreht“. Raimund Gaebelein, Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes, warf der Polizei vor, die offenkundig nur pro forma aufgestellte erste Sperrlinie an der Grasberger Straße gezielt zur Delegitimierung der Versammlung benutzt zu haben. „Diese Absperrung war von vornherein nur dazu da, durchbrochen zu werden. So konnte man hinterher sagen, die Demonstration sei ,unfriedlich‘ – um gewaltsam gegen sie vorgehen zu können.“ cja