Architekten erbaut über Urteil

Die Berliner Architektenverbände begrüßen die Gerichtsentscheidung zum Hauptbahnhof, warnen aber auch vor Reaktionen der Bauherren. Bahnchef Mehdorn wirft Architekt von Gerkan vor, sein „Egotrip“ richte nur Schaden an

Die Berliner Architektenverbände sehen in dem Urteil zum Berliner Hauptbahnhof unisono ein positives Zeichen für ihren Berufsstand. Zugleich gibt es aber auch Stimmen, die bezweifeln, dass der Erfolg des Architekten Meinhard von Gerkan gegen die Deutsche Bahn AG ihre Position gegenüber den Bauherrn ausschließlich stärke. Weder könne sich jedes Architekturbüro einen großen Rechtsstreit aus finanziellen Erwägungen leisten, noch sei nicht auszuschließen, dass Bauherren sich nun ihre Rechte ganz genau in den Verträgen festschreiben lassen. Am Dienstag hatte von Gerkan vor dem Landgericht sein Urheberrecht gegen die Bahn erfolgreich eingeklagt und erreicht, dass die im Untergeschoss von der Bahn eingebaute Blechdecke entfernt und stattdessen seine geplante Gewölbekonstruktion realisiert werden muss.

Klaus Meier-Hartmann, Präsident der Berliner Architektenkammer, sprach von einer „Stärkung für die Baukultur“, die das Gerkan-Urteil mit sich brächte. Es sei gut, dass ein „Bau als Gesamtwerk“ des Architekten beurteilt worden sei. Zugleich beinhalte diese Entscheidung, dass Bauherren die Arbeit ihres Architekten zu schätzen und zu akzeptieren hätten.

Der Präsident erinnerte daran, dass Streit um Urheberrechte „sehr selten“ in Berlin sei. In der Regel würden Architekten und Bauherren in Finanz- und baulichen Streitfragen „nach einvernehmlichen Lösungen“ suchen.

Christine Edmaier, Vorsitzende des Berliner Bundes Deutscher Architekten (BDA), bestätigte den originären Charakter dieses Urheberrechtsstreits: „Von Gerkan ist ein Ausnahmefall.“ An ähnliche Fälle in Berlin könne sie sich nicht erinnern. „Es gibt immer wieder Kämpfe mit Bauherren, die aber nicht immer vor Gericht enden. Im Allgemeinen geht es um Geld“, sagte sie der taz. Edmaier ließ neben „der Freude über das Urteil, das uns stärkt“, auch erkennen, dass das „Bild des Architekten“ einen Knacks abbekommen haben könnte. Noch mehr Bauherren als bisher könnten sich vom Bauen mit Architekten verabschieden, wenn diese so streitbar daherkämen.

Bahnchef Hartmut Mehdorn reagierte gestern erstmals öffentlich auf das Gerichtsurteil. Er äußerte Unverständnis über die Entscheidung und kündigte an, gegen das Urteil „ankämpfen“ zu wollen. Wegen von Gerkans „Egotrip müssen nun bis zu 40 Millionen Euro aufgewendet werden, mal abgesehen von jahrelangen Beeinträchtigungen des Zugverkehrs“, so der Bahnchef in einem Zeitungsinterview. ROLA