Ein Scheunentor für Gen-Pflanzen

Landwirtschaftsminister Horst Seehofer gibt der Gentech-Lobby nach. Mit dem neuen Gengesetz soll vor allem die Forschung und die Entwicklung von neuen Pflanzen gefördert werden. Leidtragende werden gentechfrei produzierende Landwirte sein

VON WOLFGANG LÖHR

Für den Naturschutzbund Nabu ist das von Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) geplante neue Gentechnikgesetz ein Paradigmenwechsel. Nicht mehr der Schutz von Mensch und Umwelt stehe im Vordergrund des Gesetzes, sondern die Förderung des kommerziellen Anbaus und die Entwicklung von Gentechpflanzen. Die von Seehofer geplanten Erleichterungen für die Anwender der Gentechnik hätten für tausende von gentechfrei produzierenden Landwirten verheerende wirtschaftliche Folgen, warnte gar die Faktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast. „Horst Seehofer öffnet die Scheunentore bei der Forschung und den Entschädigungsregeln“, sagte Künast, die als Amtsvorgängerin von Seehofer die von der Gentechindustrie als „Verhinderungsgesetz“ bekämpften strikten Haftungsregelungen eingeführt hat.

Angekündigt war die Änderung des Gentechnikgesetzes schon lange. Jetzt soll sich Seehofer zumindest mit seiner Kollegin aus dem Forschungsministerium, Anette Schavan (CDU), weitgehend auf die umzusetzenden Erleichterungen für die Gentechindustrie geeinigt haben. Abgeschwächt werden sollen vor allem die strengen Haftungsregelungen. Geplant ist auch, dass erstmals für eine genmanipulierte Pflanzenart, für Mais, ein einzuhaltender Mindestabstand festgeschrieben wird. Hier gibt es es jedoch noch Differenzen zwischen Landwirtschafts- und Forschungsministerium. Schavan möchte möchte laut Eckpunktepapier 50 Meter Sicherheitsabstand. Seehofer plant 150 Meter. Für die Umweltgruppen sind auch das zu wenig. Sie verweisen darauf, dass Monsanto in seinen Anbaubedingungen für Mais von den Landwirten verlangt, einen Sicherheitsabstand von 300 Metern einzuhalten.

Sollte sich Seehofer mit seinem Eckpunktepapier in der Regierungskoalition durchsetzen, würde am meisten aber die Forschung profitieren. Bei den derzeitig gültigen Haftungsregelungen wird kein Unterschied gemacht zwischen kommerziellem Anbau und experimenteller Freisetzung. In beiden Fällen ist der Gentechanwender schadensersatzpflichtig, wenn ein Nachbarfeld durch Auskreuzungen gentechnisch verunreinigt wird und der betroffene Landwirt seine Ernte nicht mehr los wird oder unter Wert verkaufen muss. Ein direkter Nachweis, wer für die Kontaminationen verantwortlich ist, muss nicht erbracht werden. Alle in Frage kommenden Gentechanwender in der Nachbarschaft können „verschuldungsunabhängig“ haftbar gemacht werden. Sollte die Ernte bereits verarbeitet oder schon im Handel sein, müssten die Verursacher auch die Kosten für Rückrufaktionen übernehmen.

Diese Regelung will Seehofer für den Forschungsbereich abschaffen. Künftig, so heißt es in dem der taz vorliegenden Eckpunktepapier soll für Forschungsprojekte die verschuldungsunabhängige Haftung „auf den unmittelbar beim Nachbarn eintretenden Schaden begrenzt werden“. Ungeklärt bleibt damit aber, wer für den Schaden in der dem Landwirt nachfolgenden Verwertungskette aufkommt.

Dabei können die wirtschaftlichen Verluste in der Lebensmittelindustrie oder dem Handel um ein Vielfaches höher sein, wenn ein nicht erlaubtes Ernteprodukt erst einmal verarbeitet ist. So haben die Verunreinigungen mit dem in der EU nicht zugelassenen Gentech-Reis LL601 der Bayer AG nach Angaben des „Bundesverbandes der Hersteller von Nährmitteln aus Reis und Getreide“ allein in Deutschland einen Schaden von 10 Millionen Euro verursacht. Ursache für die weltweit registrierten Reiskontaminationen war, so wird derzeit noch vermutet, ein kleines Versuchsfeld im US-Bundesstaat Louisiana. Die Bayer AG jedenfalls will nicht für den Schaden aufkommen. Vermutlich wird der Handel auf seinen Kosten sitzen bleiben. Mit Seehofers Gesetz könnte das die Regel werden.

Aber auch für Landwirte, die Gentechpflanzen anbauen, sind Erleichterungen bei den Haftungsregeln vorgesehen. Ein Schadensausgleich soll nur noch dann verlangt werden dürfen, wenn die Verunreinigung der Ernte auf dem Nachbarfeld mehr als 0,9 Prozent beträgt. Dieser Wert entspricht der Kennzeichnungsschwelle, ab der Produkte als Gentechwaren ausgezeichnet werden müssen. Derzeit ist es aber schon fast die Regel, dass Landwirte ihren Abnehmern zusichern müssen, nur Waren zu liefern, deren Kontaminationen weit unter dem Kennzeichungswert liegen. Nach Seehofers Plänen könnte es somit durchaus passieren, dass ein „gentechfrei“ produzierender Landwirt seinem Abnehmer einen Schaden bezahlen muss, den dafür verantwortlichen Nachbarn aber nicht belangen kann.