Sibel Kekilli, der Konsul und der Papst

Ärger bei Anti-Gewalt-Kampagne: Türkischer Generalkonsul verlässt Veranstaltung der Zeitung „Hürriyet“ unter Protest

„Aile ici siddete son – Schluss mit familiärer Gewalt“ – unter diesem Titel führt die türkische Tageszeitung Hürriyet seit Jahren in Deutschland und in der Türkei eine Kampagne gegen häusliche Gewalt durch. An einer Veranstaltung dazu nahmen am Donnerstag neben der Integrationsbeauftragten des Bundes, Maria Böhmer (CDU), auch Abgeordnetenhauspräsident Walter Momper (SPD), die Frauenrechtlerin und Rechtsanwältin Seyran Ates sowie die Schauspielerin Sibel Kekilli, Hauptdarstellerin in Fatih Akins Berlinale-Gewinnerfilm „Gegen die Wand“, teil.

Deren Rede, die einen Zusammenhang zwischen familiärer Gewalt und dem Islam herstellte, ging manchem im Publikum jedoch zu weit. Der türkische Generalkonsul Ahmet Nazif Alpman verließ gar demonstrativ den Saal. Er habe diese Aussagen als Diskriminierung von Muslimen empfunden, so Alpman gestern zur taz: „Während der Papst in der Türkei für religiöse Verständigung wirbt, kommt da eine junge Frau und behauptet, der Islam sei gewalttätig.“ Das sei aber falsch. Alpman: „Gewalt hat keine Religion.“

Bei den Veranstaltern ebenso wie bei vielen der Besucher der Veranstaltung sorgte der symbolische Aufbruch des Generalkonsuls für Verwunderung. Der Konsul habe mit seinem Verhalten „kein gutes Vorbild“ abgegeben, meinte beispielsweise Evrim Baba, die frauenpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion: „Wer von sich behauptet, Demokrat zu sein, muss es auch ertragen können, wenn Frauen öffentlich das patriarchale System anprangern, das vielerorts noch Realität ist.“

Auch Ayhan Can, Koordinator der deutschen Antigewalt-Kampagne bei der Hürriyet, ist enttäuscht: „Ich hätte mir gewünscht, dass er mitdiskutiert“, so Can zur taz: Dass kontrovers diskutiert werden würde, habe ja allein durch die Anwesenheit von Seyran Ates auf dem Podium festgestanden. Die Anwältin hatte zuvor jahrelang Auseinandersetzungen mit der Zeitung über den Umgang mit dem Thema häusliche Gewalt geführt.

Zu differenzierter Betrachtung rät die sozialdemokratische Abgeordnete Canan Bayram. Die neue frauenpolitische Sprecherin der SPD ist selbst Anwältin. „Natürlich ist das Problem häuslicher Gewalt nicht auf eine Kultur oder eine Religion beschränkt“, so Bayram. Entscheidend sei aber, wie sich ein Täter der Gesellschaft gegenüber legitimiere: „Wenn sich dabei jemand auf den Islam bezieht, muss das kritisiert werden“, so Bayram, „und viele Täter tun das.“ ALKE WIERTH