Reform macht krank

Die Zahl dauerkranker Lehrer hat sich laut GEW fast verdoppelt. Schuld seien die Schulreformen

Berlin hat immer mehr dauerhaft erkrankte Lehrer. Nach Angaben der Bildungsgewerkschaft GEW hat sich die Zahl in den vergangenen zwei Jahren von 530 auf 900 drastisch erhöht. „Die Tendenz ist steigend und stark beunruhigend“, sagte Manfred Triebe von der GEW-Arbeitsgruppe Gesundheitsschutz. Den Anteil derer, „die eine Dauerkrankheit nur mimen“, schätzt Triebe auf etwa 5 Prozent. Zumeist lägen schwere Erkrankungen wie Krebs und Herzprobleme zugrunde.

Häufig sei Stress ein Auslöser. Ein ständiger Reformdruck habe das Arbeitspensum „enorm hochgedrückt“, die Hilfen der Verwaltung seien mangelhaft. Seit Jahren werde in die Schulen der Hauptstadt „fast jede Woche ein neues Rundschreiben“ geschickt, sagte der GEW-Experte.

Viele Pädagogen „sind ins tiefe Wasser geworfen worden“, sagte Triebe. Zahlreiche aus dem Ostteil Berlins in den Westteil versetzte Lehrer und Schulleiter seien aus ihren sozialen Zusammenhängen in völlig andere, ihnen unbekannte Strukturen gedrängt worden, „und dies ohne jede Anleitung“. Auch solche Entwicklungen könnten zu Erkrankungen führen. In den Grundschulen fielen derzeit jede Woche etwa 10.000 Stunden Unterricht aus, an den Gymnasien etwa 5.000, überwiegend wegen Krankheitsfällen. Triebe sagte: „Alles in allem sind das jedes Jahr rund 25 Millionen Euro Gehaltszahlungen für praktisch nichts.“

Viele der älteren Pädagogen seien zusätzlich entmutigt worden durch die schrittweise Abschaffung der Chance zur Altersteilzeit. „Zuvor haben sich noch viele zusammengerissen und gesagt, das halte ich noch zwei oder drei Jahre durch.“ Jetzt sei „diese Hoffnung auch noch zusammengebrochen“. Die Arbeitsbelastung habe inzwischen „jedes erträgliche Maß überschritten“.

Der scheidende Rektor der Rütli-Schule in Nordneukölln, Helmut Hochschild, hat unterdessen die Abschaffung der Hauptschulen gefordert. „Eine Berliner Hauptschule kann nicht gesund werden. Denn das System ist krank.“ DPA, TAZ