Heftige Dissonanzen

Die drei Opern und die Opernstiftung sind in Turbulenzen. Michael Schindhelms Reformkonzept jedenfalls reicht nicht für den Erhalt. Heute debattiert darüber der Kulturausschuss des Parlaments

Von Rolf Lautenschläger

Die Situation der Berliner Opernlandschaft kann derzeit getrost als großes Drama bezeichnet werden – wenn nicht gar als Tragödie. Das bekannteste Haus, die baulich marode Staatsoper Unter den Linden, steht vor dem Zusammenbruch. Es ist ungeklärt, ob Berlin oder der Bund ihre Sanierung von rund 150 Millionen Euro, geschweige denn den künftigen Betrieb, finanzieren. Die größte Opernbühne der Stadt, die Deutsche Oper in der Bismarckstraße, soll das Programm reduzieren. Der Intendant der Komischen Oper fürchtet um die künstlerische Freiheit an den Häusern, seit der Direktor der Opernstiftung, Michael Schindhelm, weitere Einschnitte angekündigt hat. Schindhelm schließlich hat zum April 2007 gekündigt und ein Konzept zum Erhalt der Opern vorgelegt, von dem einige böswillig behaupten, dass es das Papier nicht wert sei, auf dem es gedruckt wurde.

In der Tat steht die Opernlandschaft vor erneuten Turbulenzen. Heute soll darüber im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses debattiert werden. Lösungen werden wohl nicht herauskommen. Aber vielleicht stellt man in dem Gremium die richtigen Fragen. Eine könnte die folgende sein: Wie war es möglich, dass bei der Gründung der Stiftung 2004, die Strukturreformen an den Häusern vornehmen und deren Finanzierung sichern sollte, vom Land die jährliche Subventionshöhe für die drei Opern bis 2009 auf knapp 100 Millionen Euro festgeschrieben wurde? Und warum hat man den Haushaltsbeitrag nicht flexibel gestaltet, um ihn etwa nach zwei Jahren zu evaluieren?

Dass genau an der Festschreibung dieser viel zu niedrigen Summe sowohl die Opernstiftung als auch die örtliche Bühnenlandschaft nun zerbrechen könnte, scheint evident. Umso mehr als die Stiftung, die unter ihrem Dach die Staatsoper, die Deutsche Oper und die Komische Oper vereint, nur unzureichende Reformen hat umsetzen können. Schindhelm konnte zwar erreichen, dass Bühnen etwa beim Marketing kooperieren, um Kosten zu senken. Auch Werkstätten und Ballettgruppen wurden zusammengelegt sowie Ensembles verkleinert.

Ausgereicht haben Schindhelms Pläne, Anstrengungen und Einsparungen aber nicht. Der Finanzierungsspielraum der Stiftung war zu eng. Die Opernbühnen schweben – auch infolge selbstherrlicher Ansprüche – tagtäglich über dem wirtschaftlichen Abgrund.

Das Konzept von Schindhelm „scheint so nicht umsetzungsfähig zu sein“, monierte jüngst der Regierende Bürgermeister und Kulturbeauftragte Klaus Wowereit (SPD). Als Schindhelm daraufhin die Neujustierung der Opern „als Befreiungsschlag“ vorschlug, um vier Millionen Euro zu sparen, war der Aufschrei an den Bühnen riesig. Die Überlegungen, die Deutsche Oper in einen „Semi-Stagione-Betrieb“ zu überführen oder die Programme der anderen Häuser zu kontrollieren, wurden von den Intendanten verrissen.

Die Leiterin der Deutschen Oper, Kirsten Harms, fürchtet, dass die „künstlerische Identität“ ihres Hauses damit völlig „aufgegeben“ wird, wenn das eigene Repertoire – wie mit „Semi-Stagione“ angedacht – quasi auf null reduziert werde. Diese Strategie hätte de facto die Einstellung des selbstständigen Betriebs an der Deutschen Oper zur Folge. Andreas Homoki, Chef der Komischen Oper, stößt ins gleiche Horn.

Schindhelm selbst und seine Opernstiftung stehen angesichts der Probleme und Kritik mit dem Rücken an der Wand. Wowereit hat in der vergangenen Woche angekündigt, die Reformpläne noch einmal prüfen zu wollen – bis zum Januar 2007. Führt dies zu keinem Erfolg – sprich: gibt es nicht mehr Mittel für die Stiftung oder Hilfen vom Bund – sind die Reform und wohl auch die Stiftung am Ende. Das wäre dann der GAU für den Versuch einer strukturellen Neuordnung der Berliner Opernlandschaft. In der Folge würde wieder über jedes Haus ökonomisch und künstlerisch separat verhandelt werden und über die Staatsoper – als „Geschenk“ an den Bund – insbesondere. Schöne Aussichten.