SPD will Gymnasium für alle

SPD-Bildungsparteitag erklärt „Stadtteilschule für alle“ zum Ziel. Gymnasien sollen bleiben, aber für alle Kinder offen sein. Grundschulempfehlung soll wegfallen. Neumann will Bildung aus Wahlkampf raushalten, Petersen nicht

Wilfried Buss: „50 Prozent gehen zum Gymnasium, aber nur 27 Prozent machen dort Abitur“

Die Hamburger SPD hat auf ihrem Bildungsparteitag am Samstag einem Kompromiss zum parteiinternen Streit um die Schulstruktur verabschiedet. Die Schulpolitiker Wilfried Buss, Sabine Boeddinghaus, Gerhard Lein und Luisa Fielder haben sich durchgesetzt, die eine SPD-Zustimmung zu dem von der CDU favorisierten „Zwei Säulen“-Modell aus Gymnasium und Stadtteilschule verhindern wollten. Das Wort „Zwei“ kommt in dem Parteitagsbeschluss nicht vor, hingegen wird die „Stadtteilschule für alle“ zum Ziel sozialdemokratischer Bildungspolitik erklärt.

„Wir wollen das Gymnasium für alle“, sagte der Schulpolitiker Wilfried Buss nach dem Vortrag des früheren schwedischen Bildungsministers Mats Ekholm. In dem Nachbarland, das seit 1962 eine Schule für alle hat, machen 90 Prozent der Schüler Abitur.

Gleichzeitig berücksichtigt die SPD in ihrem Beschluss aber auch die Bedenken all jener, die Angst vor entrüsteten Gymnasialeltern haben. „Wir wollen die Gymnasien nicht abschaffen“, heißt es. „Aber auch diese werden sich ändern müssen.“ Die Gymnasien sollen verpflichtet werden, Kinder individuell zu fördern. Eine „Abschulung“ wegen ungenügender Leistung soll nur noch „im Einvernehmen“ mit Eltern sowie abgebender und aufnehmender Schule möglich sein. Zurzeit, darauf wies Buss hin, gingen zwar 50 Prozent der Kinder zum Gymnasium, aber nur 27 Prozent machen dort auch Abitur.

Als „erster Schritt“ soll die Hauptschule abgeschafft und mit der Realschule zu Integrierten Schulen (IHR) zusammengelegt werden. In weiteren Schritten sollen aber auch die übrigen Schulformen, sprich künftige IHR, Gesamtschule und Gymnasien, sich zu „Stadtteilschulen zusammenschließen“. Diese Schulen sollen eine „besondere Förderung bekommen“. Ein „Trick“ um dies zu forcieren, soll eine ganz neue Organisation der Schulaufsicht sein: Die Oberschulräte sollen künftig für alle Schulen eines Stadtteils zuständig sein und nicht mehr wie bisher separat für Gymnasien, Gesamt- oder HR-Schulen.

Abschaffen will die SPD die Grundschulempfehlung nach Klasse vier, die die Zehnjährigen bislang in Gymnasialempfohlene und Nicht-Gymnasialempfohlene aufspaltet. Dies soll durch ein schlichtes Elterngespräch ersetzt werden.

„Es wurde erwartet, dass auf diesem Parteitag zwei Züge aufeinander prallen und es knallt“, sagte Fraktionsvize Ingo Egloff, der die Antragstellung koordiniert hatte. „Wir haben gesagt, wir diskutieren das in aller Ruhe aus.“ Auf diese Diskussion sei er „richtig stolz“. Sie zeige, dass Bildung eine „Herzensangelegenheit“ sei, ergänzte Fraktionschef Michael Neumann, der im Sommer mit einem Bekenntnis zum Zwei-Säulen-Modell Wirbel ausgelöst hatte.

Durchaus noch strittig ist, wie nun mit dem Beschluss umgegangen wird: Neumann schlug vor die Bildungspolitik aus dem Wahlkampf herauszuhalten, was Parteichef Matthias Petersen in seinem Schlusswort ablehnte.

Die frühere HWP-Präsidentin Dorothee Bittscheidt erklärte, warum die Abgrenzung zur CDU im Wahlkampf wichtig sei: Diese stelle die zu frühe Aufteilung der Kinder nach Klasse vier und die zu niedrige Abiturienten-Quote „nicht zur Diskussion“ und handle nach der Devise, dass „höhere Bildung für die Kinder ihrer CDU-Wähler nur dann einen Wert hat, wenn nicht zu viele andere auch diesen Abschluss erzielen“.

„Eine Aufteilung in Oben und Unten entspricht nicht dem Menschenbild der Sozialdemokratie“, ergänzte Sabine Boeddinghaus und richtete mahnende Worte an die SPD-Genossen in der ebenfalls zur Schulstruktur tagenden Enquetekommission der Bürgerschaft: Sie hätten sich an den Parteitagsbeschluss zu halten. Kaija Kutter