Zöllners kleiner Durchbruch

Der neue SPD-Bildungssenator präsentiert sich bei einer PDS-Diskussion mit Lehrern als Manager, der Probleme anpackt. Die Gemeinschaftsschule hält er für den richtigen Weg aus dem Schuldilemma

VON ALKE WIERTH

„Lehrer wollen gar nicht mehr unterrichten!“ – das wäre eine Schlagzeile gewesen. Es wäre allerdings auch eine fiese Fehlinterpretation dessen, was Lothar Sack, ehemaliger Leiter der Fritz-Karsen-Gesamtschule, ins Gespräch brachte. Es werde im Zusammenhang mit dem Thema Schule fast nur vom Unterrichten gesprochen, kritisierte der erfahrene Pädagoge bei einer Diskussionsrunde am Montagabend im Abgeordnetenhaus – vom Lernen dagegen rede kaum jemand. Dabei sei das doch der eigentliche Daseinszweck von Schulen. In vielen Schulen fände jedoch heute „Unterricht ohne Lernen“ statt, bemängelte Sack auf der Veranstaltung der PDS zum Thema Gemeinschaftsschule – und machte mit dieser Analyse den ebenfalls anwesenden neuen Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) fast neidisch.

Zöllner stimmte in weiten Teilen der Kritik der versammelten Lehrerinnen und Lehrer am derzeitigen Bildungssystem zu. Konsens herrschte beispielsweise darüber, dass das Modell Gemeinschaftsschule ein richtiger Weg sei.

Carola Bluhm, Fraktionsvorsitzende der PDS, präsentierte ein detailliertes Papier ihrer Partei über den Einstieg in das Modellprojekt, das die PDS in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt hat und das der Senat mit 22 Millionen Euro finanzieren will. Schulen, die sich am Projekt Gemeinschaftsschule beteiligen wollen, sollen demnach auf das Probehalbjahr und Sitzenbleiben verzichten. Umgekehrt dürften sie auch nicht verpflichtet werden, Sitzenbleiber oder abgestufte SchülerInnen anderer Schulen aufzunehmen. Jahrgangsübergreifendes Lernen soll ebenso Standard sein wie individuelle Förderung. Dadurch soll die Aufteilung von Klassen oder Jahrgängen auf Kurse unterschiedlicher Leistungsstufen überflüssig werden. Beginnen soll das Modellprojekt nach PDS-Vorstellungen schon im nächsten Schuljahr – indem beispielsweise Oberschulen komplette Grundschulklassen aufnehmen und sich mit ihnen langsam zu einer alle Jahrgänge umfassenden Gemeinschaftsschule entwickeln. Eine „Steuerungsgruppe“ soll für die Auswahl der Modellprojekt-Teilnehmer gegründet werden, auch die wissenschaftliche Begleitung der Projektphase ist im PDS-Papier vorgesehen.

In deren Rahmen soll auch ein „Fortbildungskonzept Gemeinschaftsschule“ entwickelt werden, um LehrerInnen beim Einstieg in die neue Schulform zu unterstützen. Souverän erlaubte der neue Bildungssenator – „mutig, wie ich zu sein versuche“ – sich an diesem Punkt auch eine kleine, liebe- und verständnisvoll vorgebrachte Kritik an der Lehrerschaft. Die, so Zöllner, sei eine Berufsgruppe, in der es zwar eine auffallend hohe Nachfrage nach Weiterbildungsangeboten gäbe. Dass man sich auch selbst fortbilden könne, geriete dabei oft in den Hintergrund: „Vermutlich, weil man in Ihrem Beruf den anderen auch alles fertig vorsetzen muss.“

Die LehrerInnen nahmen’s gelassen. Die Hoffnungen, die mit dem neuen Bildungssenator verbunden werden, sind auch bei ihnen groß. Anders als sein Vorgänger Klaus Böger, Urgestein der Berliner SPD, ist dem aus Rheinland-Pfalz zugewanderten Zöllner der Politiker bislang wenig anzumerken. Der Professor für Molekularbiologie argumentiert eher wie ein Manager.

Wenn die Gemeinschaftsschulen nach Ablauf der Projektphase nicht an der Realität scheitern sollten, meint Zöllner beispielweise, müssten deren Ausstattung und Rahmenbedingungen von Anfang an denen im echten Betrieb entsprechen. Bei aller Einigkeit in der grundsätzlichen Richtung dürften damit zukünftige Gespräche zwischen Lehrern und Bildungssenator auch mal weniger sonnig verlaufen.