Wir wollen in unseren Job zurück

Ich hätte mir halt den Mann besser aussuchen müssen“, meint Nina Birnbaum *. Der ist weg und sie allein erziehend mit zwei Kindern. Jenny ist vier, Luzie zwei Jahre alt. Birnbaum muss bei ihren Arbeitszeiten Rücksicht nehmen: auf die Kinder und auf die Kita, die hat von sieben bis maximal halb sechs abends geöffnet. Als ambulante Pflegekraft aber muss sie manchmal schon um sechs die Schlüssel in der Zentrale abholen. Oder eine Tour dauert bis sieben Uhr am Abend. Oder sie muss am Wochenende arbeiten, wenn die Kita sowieso zuhat. Wenn da noch ein Partner wäre, der solche Zeiten überbrücken könnte, hätte sie vielleicht weiter beim Pflegedienst arbeiten können. Aber so …

Es ist ein typisches Problem. Mütter, die in ihren Job zurückkehren wollen, werden dort keineswegs mit offenen Armen empfangen. Die Firma befürchtet, dass die Mitarbeiterin nicht mehr so schön flexibel ist, und versucht nicht selten, sie loszuwerden. Berufsrückkehrerinnen sind die Opfer des Dramas „Unvereinbarkeit von Familie und Beruf“. Oft werden sie auf schlechtere Jobs abgeschoben. Oder es ist, wie bei Birnbaum, gleich ganz Schluss. Nach Daten des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) nehmen ein Drittel der westdeutschen Mütter ihren Beruf nach der Elternzeit nicht wieder auf, weil die Arbeitszeiten nicht ihren Wünschen oder Möglichkeiten entsprechen.

So erging es auch Nina Birnbaum. Im Januar 2006 hat sie bei ihrem Chef angerufen, sie käme gerne wieder. Der Chef verschob den Gesprächstermin immer wieder. Im März empfing er sie und stellte gleich klar, dass sie alte „Privilegien“ vergessen könne – nur noch in der Kernarbeitszeit eingesetzt werden oder nicht mehr an Feiertagen. „Das wäre auch unfair gegenüber den anderen gewesen“, pflichtet Birnbaum ihm selbst im Nachhinein bei. Man könnte sagen, sie habe eine Gesellschaft, die Kinder als Privileg betrachtet, bereits verinnerlicht.

Jetzt ist Nina Birnbaum arbeitslos. Es ist aber gar nicht so schlimm, meint sie, sie habe den Pflegedienst eh immer nur als Nebenjob betrachtet, um ihr Studium zu finanzieren. Nach Reisen in die Dritte Welt hat sie Agraringenieurwesen studiert und wollte in die Entwicklungshilfe. Aber dann kamen die Kinder. Sie verlor ihr Berufsziel aus den Augen. Als klar wurde, auch mit dem Pflegedienst geht es nicht mehr weiter, machte sie einen Orientierungskurs bei der Berliner Organisation „frau und beruf“. Dort wurde ihr wieder klar: Entwicklungshilfe, das ist es doch eigentlich. Aber nun ist sie 41. Sie hat kaum Berufserfahrung. Und zwei Kinder.

Dann sind da Widrigkeiten, an die man gar nicht denken würde: Die meisten Entwicklungshilfeorganisationen sind christlich und wollen christliche MitarbeiterInnen. Birnbaum, aus dem Osten, ist nicht mal getauft. Trotzdem bewirbt sie sich. Einmal, zweimal, dreimal. Noch hat sie keine Antwort. Was, wenn’s nicht klappt? Naja, vielleicht reicht’s auch nur noch zur Bürokraft, meint Birnbaum. Das aber müsste sie auch bald entscheiden: Umschulungen werden nur bezahlt, bis man 43 ist. HEIDE OESTREICH

* Alle Namen geändert

Die Firma verkaufte Computerserver. Silke Menz * verkaufte die Schulungen dazu. In Berlin war das Büro, sie fuhr zu den Firmen, beriet sie und organisierte die Fortbildungen. „Die Frauen in meiner Abteilung waren Frauen, die keine Kinder kriegen“, stellt sie im Rückblick fest. Entweder man war Assistentin von irgendwem – dann hatte man Kinder und wenig Verantwortung. Oder man machte einen eigenständigen Job wie Silke Menz – und hatte keine Kinder.

So ist das. Aber Silke Menz, 42, blond und gestiefelt, irgendwie gut in das Café in Berlin-Mitte passend, ist anders. „Ich bin aus dem Osten“, ist ihre Erklärung. Sie hat schon als Alleinerziehende angefangen in ihrer Abteilung. Im Sommer 2003 ist sie erneut schwanger. Weil das neue Geschäftsjahr im Juli beginnt, sagt sie im Juni Bescheid: Sie müsste sich ihre Projekte mit jemandem teilen, der sie dann später allein fortführen kann, war ihre Vorstellung. Sie selbst wäre nach der Geburt im Dezember ein halbes Jahr in Elternzeit und käme zum nächsten Geschäftsjahr im Juli 2004 wieder zurück, zunächst in Teilzeit.

Die Personalabteilung plante anders. Schon 2003 bekam Menz keine Projekte mehr. Das Formular mit dem Termin für ihre Rückkehr, das sie für den Kitaplatz brauchte, wurde einfach nicht ausgestellt. „Was sollte ich tun? Klagen? Ich wollte doch zurückkehren.“ Silke Menz beließ es dabei.

Nach der Elternzeit erklärt die Firma, sie habe gerade keine Teilzeitstelle für sie, sie solle doch ein weiteres halbes Jahr warten. Silke Menz wird mulmig, sie geht zu einer Anwältin und erklärt der Firma ihre endgültige Rückkehr im Winter 2004. Die Personalabteilung schreibt ihr daraufhin, ihr Arbeitsort sei von nun an München.

Menz klagt. Nun folgen verschiedene Schlagabtausche. Der Arbeitgeber argumentiert etwa, ihre Abteilung sei mittlerweile aufgelöst, den Job gebe es gar nicht mehr. Aber ein Kollege in Berlin mache doch einen Großteil ihrer vorherigen Aufgaben, widerspricht Menz. Ist der Kollege bereit, als Zeuge auszusagen? Nein. „Ich kam auch an die Dokumente nicht heran, die beweisen, was genau mein Job war. Ich war ja nicht mehr in der Firma.“

Vor Gericht wickelt der Firmenanwalt den Richter ganz schön ein. „Der riss einen Witz nach dem anderen, meine Anwältin saß wie eine Maus daneben“, erzählt Menz. Der Firmenanwalt spielt auf Zeit: Vielleicht fände sich ja noch ein Job in Berlin, mal sehen. Die Strategie ist erfolgreich. Im Sommer 2005 beschließt Menz: „Ich mach das nicht mehr. Jetzt reicht’s.“ Sie handelt eine Abfindung aus. Und geht.

„Letztlich ist es gut, dass es so gelaufen ist“, sagt Menz heute. Die Erfahrung hat sie aufgerüttelt. Sie ist dem „Verband berufstätiger Mütter“ beigetreten. Sie hat drei Praktika gemacht und tatsächlich eine neue Firma gefunden, bei der sie die gewünschten 20 Stunden pro Woche arbeiten kann. Bald wird sie wieder Vollzeit arbeiten. Die kleine Tochter geht in die Kita, und es gibt zwei Babysitter und eine Haushaltshilfe. Dass sie wieder voll einsteigt, stand für Silke Menz nie außer Frage. Sie ist aus dem Osten. OES

* Alle Namen geändert

Der Trick ging so: „Ihre Stelle als Personalberaterin können wir Ihnen nicht mehr geben. Wir könnten Sie als Sachbearbeiterin beschäftigen. Aber ob das im Zeugnis gut aussieht, wenn Sie sich zurückstufen lassen? Überlegen Sie es sich.“ Der Wirtschaftsverband, für den Frauke Greven als Headhunterin arbeitete, wollte die Rückkehrerin mit zwei Kindern ziemlich offen loswerden.

Frauke Greven allerdings kannte den Trick. Schließlich war Personalberatung ihr Job. „Es ist ein offenes Geheimnis in der Szene, dass man so elegant Personal abbauen kann“, sagt sie ungerührt. „Frauen trauen sich den Konflikt nicht zu, Frauen sind harmoniesüchtig, und Frauen gehen nicht vor Gericht, so rechnen die.“

Mit Frauke Greven rechneten die nicht. Sie zog vor Gericht. Doch die Gegenseite hatte auch gute Karten: Der Standort sollte tatsächlich „heruntergefahren“ werden, „dringende betriebliche Gründe“ für das schlechtere Angebot schienen tatsächlich zu bestehen. Immerhin einen ordentlichen Vergleich konnte Greven aushandeln, gerichtlich. Fast ein Jahr zahlte der Verband ihre Bezüge und stellte sie frei. Greven nutzte die Zeit, um ihre Selbstständigkeit zu organisieren. „Als Personalberaterin hatte ich ohnehin sehr selbstständig gearbeitet, da war der Schritt nicht so groß.“

Ihre Erfahrung mit der eigenen Berufsrückkehr hat ihr allerdings zu denken gegeben. „Die Frauen sind in dieser Phase sowieso verunsichert: Kann ich das noch? Klappt es mit der Kinderbetreuung so, wie ich es hoffe? Bin ich eine Rabenmutter, wenn ich jetzt schon wieder einsteige?“ In dieser Situation braucht das Unternehmen oft nur noch an ihre Solidarität zu appellieren: Dem Unternehmen gehe es doch so schlecht, man wisse auch gar nicht, wo man sie noch einsetzen könne, der Arbeitsbereich sei ja ganz umstrukturiert worden. „Da kann man die meisten schnell weich kochen. Die wollen ja auch nicht als unerwünschte Person in die Firma zurückkommen, davor haben sie Angst.“

Frauke Greven hat diese Gemengelage zum Gegenstand ihrer Selbstständigkeit gemacht: Sie coacht Berufsrückkehrerinnen in exakt dieser schwierigen Phase. „Spielraum. Elternzeit und Karriereplanung“ heißt ihr Eine-Frau-Unternehmen in Köln. „Die Grundangst der Frauen ist: Wenn ich meine Rechte wahrnehme, werde ich gemobbt. Ich erkläre ihnen, dass das gar nicht so sein muss.“ Eine ihrer Kundinnen habe sich so erfolgreich zur Wehr gesetzt, dass man ihr schließlich sagte: Solche Leute wie Sie brauchen wir, und ihr einen Job in der Personalabteilung anbot. Oft rechnet sie den Frauen auch schlicht ihre finanzielle Lage am Ende der Elternzeit vor. Das motiviert, die Angst zu überwinden.

Frauke Grevens Familie ist an den Stadtrand gezogen. Nur dort gab es Krippenplätze für Lars und Meike. Und der Mann, hätte der nicht auch mal …? „Mein Mann ist selbstständig, er muss seine Kundenbeziehungen pflegen. Da kann er keine Elternzeit nehmen oder die Kinder betreuen“, sagt Greven kurz. Für Betreuungslücken werden befreundete Familien oder die Großmutter aktiviert. Headhunting in eigener Sache sozusagen. OES