Pfusch am AKW-Bau

Arbeiten an finnischem Reaktor verzögern sich weiter. Umweltschützer warnen vor Sicherheitsmängeln

STOCKHOLM taz ■ Der Neubau eines Atomreaktors in Finnland verzögert sich weiter. Statt im Juni 2009 werde Olkiluoto 3 nun frühestens 2011 ans Netz gehen können, teilte Bauherr TVO in dieser Woche mit.

Waren es zunächst mangelhaft ausgeführte Betonarbeiten am Fundament des Reaktors, welche die Behörden veranlassten, einen vorläufigen Baustopp zu verhängen und den Baufirmen, der französischen Areva und der deutschen Siemens, strengere Qualitätskontrollen aufzuerlegen, sind es jetzt Teile des Reaktorkühlrohrsystems, die neu gegossen werden müssen. Die bisherigen Arbeiten hatten sich als zu fehlerhaft für die Abnahme erwiesen.

Sowohl Bauherr TVO als auch die finnische Strahlenschutzzentrale STUK haben mehrfach ihre Unzufriedenheit mit der Kompetenz und Bauleitung durch den Lieferanten Areva-Siemens zum Ausdruck gebracht, bei dem TVO einen schlüsselfertigen Atomreaktor bestellt hatte. Die Umweltorganisation Greenpeace sieht sich durch die nicht enden wollenden Schwierigkeiten beim Bau dieses ersten Prototyps eines neuen Reaktormodells in ihren Befürchtungen bestätigt. Hauptverantwortlich sei neben mangelhafter Bauplanung vor allem das Bemühen der Firmen, die Kosten zu drücken.

Areva-Siemens hatte sich verpflichtet, zu einem Festpreis von drei Milliarden Euro zu liefern. Ein unrealistisch niedriger Preis schon bei Vertragsschluss vor drei Jahren. Um die Verluste zumindest in Grenzen zu halten, versucht man nach Einschätzung von Greenpeace nun an allen Ecken und Enden zu sparen. „Ohne Rücksicht auf deren Kompetenz werden die billigsten Unterlieferanten beauftragt“, kritisiert Lauri Myllyvirta von Greenpeace Finnland. Man müsse schon jetzt ernsthafte Zweifel an der Sicherheit von Olkiluoto haben.

Auch wenn die Qualitätskontrollen von TVO und STUK eine Reihe von Fehlern und Bausünden zu Tage gefördert hätten, sei davon auszugehen, dass ganz viele Schwachstellen und Konstruktionsmängel unentdeckt blieben und später den Betrieb der Anlage gefährden könnten. Dafür spreche nicht zuletzt, so Myllyvirta, dass „Areva versucht hat, die Probleme zu verschleiern, und die Behörden monatelang belogen hat“.

Für Areva-Siemens sind die Schwierigkeiten und Bauverzögerungen mit Olkiluoto nicht nur ein großer Prestigeverlust für ihr Referenzobjekt, den neu entwickelten EPR („European Pressurized Water Reactor“) mit einer Leistung von 1.600 MW. Die Geschichte verspricht auch richtig teuer zu werden. Allein aufgrund der jetzt schon feststehenden Produktionsausfälle wird nach Berechnungen der finnischen Tageszeitung Helsingin Sanomat eine Schadensersatzpflicht in Höhe von 600 Millionen Euro fällig. Zusammen mit den üblichen Vertragsstrafen für ein solches Projekt, über das die Vertragspartner allerdings Vertraulichkeit vereinbart haben, könnte ein Betrag von einer Milliarde Euro, ein Drittel des eigentlichen Kaufpreises, zusammenkommen. Auch für Siemens und den weltweit größten Atomkonzern Areva keine Peanuts.

In der skandinavischen Wirtschaftspresse wird mittlerweile aus Paris kolportiert, dass dieser Misserfolg möglicherweise die Areva-Chefin Anne Lauvergeon, ehemals wirtschaftspolitische Beraterin von Präsident François Mitterrand, den Posten kosten könnte. Den örtlichen Bauleiter hat Areva Anfang Dezember schon einmal ausgetauscht.

REINHARD WOLFF