Länder sind uneins über Rauchverbot

Erst blamiert sich die Bundesregierung mit ihrem Rückzieher beim Rauchverbot. Nun scheint auch die Ersatzidee zu platzen: Ein deutschlandweit einheitlicher Nichtraucherschutz der Länder. Und aus Brüssel kommt statt Lösungsvorschlägen nur Gemecker

SPD-Chef Kurt Beck: „Toleranz vor Regeln, das ist mein Maßstab“

AUS BERLIN GEORG LÖWISCH

Angela Merkels Vorfreude auf den kommenden Mittwoch dürfte begrenzt sein. Denn an diesem Tag wird sie die Ministerpräsidenten der Bundesländer treffen und es sieht schlecht aus für den Plan der Bundesregierung, sich von den Länderfürsten beim Nichtraucherschutz aus der Patsche helfen zu lassen. Nachdem der Rauch-Kompromiss der großen Koalition geplatzt war, hatte die Kanzlerin erklärt, sie wolle mal mit den Ministerpräsidenten über bundeseinheitliche Rauchverbote reden. Doch die Positionen der 16 Herren sind alles, nur nicht einheitlich.

Merkels Regierung hatte vergangene Woche einen von Unions- und SPD-Politikern ausbaldowerten und groß vorgestellten Kompromiss wieder eingesammelt. Kern der kurzlebigen Einigung: In Restaurants und Diskos ist Rauchen grundsätzlich verboten, in Bars und Kneipen erlaubt. Unter den beteiligten Ministerien setzte sich die Position von Innen- und Justizressort durch, dass Rauchverbote in der Gastronomie den Bund nichts angehen: Die Bundeskompetenz aus dem Gesundheitsschutz abzuleiten, sei verfassungsrechtlich zu riskant. Das Gaststättenrecht aber sei Ländersache.

Kein Ministerpräsident lässt sich gern vom Kanzleramt zum Frühstücksdirektor machen. In der Sache haben die Regierungschefs unterschiedliche Ansichten, wie sich am Wochenende herausstellte. Edmund Stoiber will in Bayern den Qualm aus Restaurants verbannen, aus Bierzelten aber nicht. Peter Müllers CDU-Regierung im Saarland hält dagegen gar nichts von gesetzlichen Rauchverboten in der Gastronomie. Jürgen Rüttgers’ Regierung in Nordrhein-Westfalen wiederum findet Verbote zumindest in Speiserestaurants gut, aber dann hat der CDU-Mann ja wieder die tabakfreundliche FDP als Koalitionspartnerin. Matthias Wulff aus Niedersachsen ist dagegen, dass sich der Staat einmischt. Und so weiter und so fort: Thüringen eher für Freiwilligkeit, Sachsen-Anhalt für Gesetze, auch Berlin und Brandenburg eher beim Nichtraucherschutz.

Besonders schmerzen dürfte die SPD-Gesundheitspolitiker eine Äußerung: Der SPD-Bundesvorsitzende und Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, ist pro Tabak: „Ich bin kein begeisterter Anhänger von Gesetzen über das persönliche Verhalten von Menschen. Ich setze da auf Rücksichtnahme“, sagte er. „Toleranz vor Regeln, das ist mein Maßstab.“ In der SPD-Fraktion hoffen einige Gesundheitsschützer auf Rauchverbote des Bundes – über den Umweg Arbeitsschutz . Dass der Bund in der Privatwirtschaft über das Arbeitsrecht Verbote einführen kann, wird zwar auch in einem Rechtsgutachten des Bundesinnenministeriums bestätigt. Allerdings gehen Wolfgang Schäubles Juristen nicht darauf ein, ob man auf diesem Wege zwischen Restaurants, Diskos, Kneipen, Bars und Bierzelten unterscheiden kann. Das genau bezweifeln auch Tabakgegner: Arbeitsrechtlich ließen sich nur Verbote in allen Gasstätten begründen. Und das geht der Union zu weit.

Wenig Chancen für Bundesgesetze, Regelungsdurcheinander auf Länderseite – und Europa? Bisher kommt aus Brüssel nur Gemecker über das langsame Deutschland. EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou erklärte, er hoffe auf rasche Fortschritte in Deutschland. „Am besten für die öffentliche Gesundheit ist es, alle Arbeitsstätten und öffentlichen Gebäude einschließlich Bars und Restaurants vollständig nikotinfrei zu machen.“

Eigentlich bräuchte die EU gar nicht auf Deutschland zu warten. Im Arbeitsschutz hat sie weitreichende Kompetenzen.