Ein weites Feld

Dutzende Zeitungen und Magazine versorgen deutsche Bauern mit Nutzwertjournalismus ohne Schnörkel – vom Motorsägentest bis zu den Milchpreisen in Kanada. Was steht wo? Eine Presseschau

VON MARTIN LANGEDER

Die Leser haben die Qual der Wahl. Sie können aus 32 Kandidatinnen Europas Champion küren. Die Vorauswahl traf niemand Geringerer als Maria Wimmer – Bayerns amtierende Milchkönigin. Es geht schließlich auch um die schönsten Kühe, die das Very-Special-Interest-Blatt Fleckvieh auf fünf Seiten Foto für Foto vorstellt.

Mehrere Dutzend Zeitungen und Magazine versorgen die deutsche Bauernszene mit Lesestoff. Während das Thema Landwirtschaft in den Mainstream-Medien in der Regel nur bei BSE, Schweinepest oder Vogelgrippe auftaucht, wartet auf das Fachpublikum ein „breit gefächertes Angebot“, wie Katharina Seuser, Vorsitzende des Verbandes Deutscher Agrarjournalisten mit 700 Mitgliedern, beschreibt. Am Kiosk sucht man nach Blättern wie Elite („Das Magazin für Milcherzeuger“), Feld und Flur sowie Der Almbauer vergeblich. Sie kommen im Abo ins Bauernhaus.

Den Leser erwartet Nutzwertjournalismus in höchster Vollendung. Selbst für Nicht-Insider, denen das nötige Fachvokabular fehlt, lässt sich das Überthema der meisten Artikel leicht ausmachen: Wie kann ich noch mehr Geld aus meinem Betrieb rausholen? Was die Texte dabei an schreiberischer Eleganz vermissen lassen, macht die Fülle der Informationen locker wett. Davon können die heimischen Landwirte anscheinend nie genug bekommen.

„Im Schnitt nutzen sie rund drei verschiedene Titel“, sagt Harald Vogt vom niedersächsischen Marktforschungsinstitut Produkt + Markt. Er hat vor zwei Jahren 2.757 Landwirte von den 297.000 deutschen Landwirtschaftsbetrieben zu ihrer Mediennutzung befragt. Im Durchschnitt investieren sie beachtliche 70 bis 80 Minuten in die Lektüre – pro Blatt.

Das sind zuallererst die regionalen Wochenzeitungen, die eine bunte Mischung aus agrarpolitischen Aufregern, aktuellen Marktpreisen und Tierzuchttipps bieten und – nimmt man alle Ausgaben zusammen – 90 Prozent der deutschen Landwirte erreichen. Während in Baden-Württemberg gleich drei Wochenzeitungen ähnlichen Zuschnitts um die bäuerliche Leserschaft buhlen, beackert die in Berlin produzierte Bauernzeitung den Osten Deutschlands ganz alleine.

Die ausdifferenzierten Fachzeitschriften (Bayerns Pferde etwa oder SuS – „Schweinezucht und Schweinemast“) und die überregionalen Magazine liefern die beiden Großverlage, der Landwirtschaftsverlag aus Münster-Hiltrup und der Deutsche Landwirtschaftsverlag mit Sitz in Hannover. Wirklich Konkurrenz machen sich die beiden Verlage laut Harald Vogt nur mit ihren umfangreichen Monatsmagazinen top agrar (117.541 verkaufte Exemplare) sowie dlz (69.733 verkaufte Exemplare).

Wer auf Reportagen über einen bayerischen Ackerbauern, der in der Ukraine mit 2.000 Hektar Grund neu durchstartete, steht, ist bei top agrar gut aufgehoben. Dafür warten bei dlz im großen Motorsägenartikel „sechs Allrounder im Test“. Das Inseratengeschäft scheint da wie dort zu brummen. Die meisten Anzeigen schalten die Spritzmittelindustrie, die mit Attributen wie „unschlagbar“, „packt sie alle!“ und „sagenhaft gut“ wirbt, und die Hersteller von Landmaschinen. Investitionen, die sich schnell rechnen. Im Durchschnitt gebe jeder landwirtschaftliche Betrieb 22.000 Euro pro Jahr aus, sagt Marktforscher Harald Vogt – das ergibt für ganz Deutschland ein Gesamtinvestitionspotenzial von sechs Milliarden Euro pro Jahr.

Neben den Platzhirschen behaupten sich auch kleinere Medien wie zum Beispiel die auf Umweltschutzpapier gedruckte Unabhängige Bauernstimme. Die Redaktion berichtet über die Milchpreisentwicklung in Kanada. Oder druckt schon mal ein Brecht-Gedicht. Der Titel: „Kuh beim Fressen“. Biobauern wiederum werden mit Zeitschriftentiteln wie bioland versorgt.

Ein Erfolgsfaktor der Bauernmedien sind die Seiten mit den Kleinanzeigen. Zwischen gebrauchten Mähdreschern, Springponys und Stellenausschreibungen findet sich auch der Bauernnachwuchs im heiratsfähigen Alter im Angebot: „Gschamiger Sachlbauer mit Händchen für alles sucht Sie mit Rossherz am rechtn Fleck. I bin a junggebliebenes, nicht mehr ganz 29-jähriges Gaudinockerl, athletisch gebaut und hoaß Schooooooosch!“ Vielleicht ein Fall für eine Spezialfolge von „Bauer sucht Frau“ bei RTL.