american pie
: Kleines Monster sucht Verein

Allen Iverson, Offensivstratege der 76ers, verlässt Philadelphia. Aber wo in der NBA landet der quirlige Aufbauspieler?

Die Frage ist: Wo wird er demnächst spielen? Das möchte nicht nur Allen Iverson gerne wissen. Sein Verein, die Philadelphia 76ers, sucht momentan verzweifelt nach einem Abnehmer für den Basketballprofi, den sein Schuhsponsor dereinst zu „The Answer“ kürte.

Eins ist sicher: Für die 76ers wird der 31-Jährige nicht mehr auflaufen. In der Umkleidekabine wurde nach mehr als zehn Jahren das Namensschild über seinem leer geräumten Spind abgeschraubt, die letzten drei Spiele stand er nicht im Kader. Vergangene Woche hatte Iverson verlangt, der Klub möge ihn abgeben, eintauschen gegen andere Spieler – ein Angebot, das Philadelphia nicht ablehnen wollte, denn jetzt hat man noch die Chance, ein paar hoffnungsvolle Talente zu bekommen. Iverson ist immer noch ein hervorragender Punktesammler, in diesem Jahr sind es mehr als 31 im Schnitt pro Spiel.

Die 76ers dagegen sind chancenlos, ob nun mit oder ohne Iverson. Acht Spiele hintereinander habe sie verloren, das Publikum bevölkert die Ränge im heimischen Wachovia Center nur noch spärlich. Dass sie nun ihren Star abgeben, erscheint logisch. Iverson ist das letzte Relikt einer recht erfolgreichen Zeit: In den späten Neunzigern führte er die lange Zeit erfolglosen 76ers zurück in die Playoffs, 2001 erreichte das Team die Finalserie. Nach der Niederlage gegen die Los Angeles Lakers aber begann der Umbruch: Die Stützen der Mannschaft wurden aussortiert, die Neuverpflichtungen schlugen nicht ein. Der achtmalige All-Star Iverson aber will seine individuell so erfolgreiche Karriere nicht ohne eine Meisterschaft beenden und lieber bei einem Titelanwärter spielen.

Doch wo wird der Aufbauspieler landen? Die Verantwortungsträger äußern sich dazu nicht. Billy King, Präsident der 76ers, verweigert jeden Kommentar, und von Trainer Maurice Cheeks ist nur zu hören, dass ihn die Diskussionen um Iverson nerven. Immerhin Chris Webber, nun der Erfahrenste in Philadelphia, beklagte den Verlust seines Co-Stars: „Ich bin mir sicher, dass wir keinen gleichwertigen Ersatz bekommen werden für das kleine Monster.“

Die Interessenten stehen Schlange: Minnesota könnte gut eine Ergänzung gebrauchen für einen momentan recht einsam werkelnden Kevin Garnett. Die Boston Celtics sollen ein Tauschpaket aus vier Spielern und Draft-Picks schnüren. Selbst Lakers-Coach Phil Jackson will nicht ausschließen, dass Iverson nach Los Angeles kommt, obwohl bezweifelt wird, dass der egoistische Iverson mit einem noch größeren Egomanen wie Kobe Bryant fruchtbar zusammen arbeiten könnte.

So mag zwar, wie es kolportiert wird, die halbe Liga interessiert an AI sein, aber wie ernsthaft ist dieses Interesse? Schließlich ist Iverson kein Schnäppchen, sein Vertrag garantiert ihm 40 Millionen Dollar für die nächsten zweieinhalb Jahre. Zudem gilt er als Spieler, der sich regelmäßig mit seinen Trainern anlegt, gelegentlich nicht zum Training erscheint und nur funktioniert, wenn sich das Spiel seines Teams allein um ihn kreist. „Er ist ein toller Spieler“, sagte Charles Barkley, selbst acht Jahre ein 76er und heute TV-Kommentator, „aber solange er nicht lernt, den Ball mit anderen zu teilen, wird es nirgendwo mit ihm funktionieren“.

THOMAS WINKLER