Alte Puten scheuchen Senat auf

Nach dem Fleischskandal: Gesundheitssenatorin will Kommunikation in ihrem Haus verbessern. Mitarbeiter sollen lernen, wann sie Bericht erstatten müssen. Mehr dubioses Putenfleisch entdeckt

Von DOMINIK SCHOTTNER

Der Skandal um verdorbenes Fleisch hat erste bürokratische Folgen. Eine neue Arbeitsgruppe soll helfen, die Weitergabe von Informationen in der Senatsverwaltung für Verbraucherschutz zu garantieren. Am Freitag war bekannt geworden, dass eine Aushilfskraft Ende September den Fund von 95 Tonnen teils verdorbenen Putenfleisches aus Italien nicht wie vorgeschrieben an die höchste Ebene der Verwaltung gemeldet hat. Gestern stellte sich heraus, dass bereits davor weitere 42,6 Tonnen Putenfleisch desselben Händlers in Umlauf gekommen sind.

Bei ihrem gestrigen Treffen vereinbarten Vertreter der Senatsverwaltung, der Veterinärämter der Bezirke sowie des Institutes für Lebensmittel, Arzneimittel und Tierseuchen (Ilat), die neue Arbeitsgruppe zu beauftragen, Vorschläge zu Verbesserung der Kommunikation in der Verwaltung zu erarbeiten. Ziel sei es herauszufinden, „ab wann ein Mitarbeiter die Leitung informieren sollte, selbst wenn dazu laut Vorschrift keine Notwendigkeit besteht“, sagte Roswitha Steinbrenner, die Sprecherin der Senatorin für Verbraucherschutz. Der Fleischfund im September sei insgesamt vorbildlich behandelt worden: „Es bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Verbraucher.“ Einziger Fehler sei gewesen, so Steinbrenner, dass die Meldung über den Fund nicht weitergegeben worden war.

Die Senatssprecherin bestätigte, dass bereits vor dem 21. September – dem Tag, an dem die 95 Tonnen Putenfleisch sichergestellt wurden – 42,6 Tonnen Fleisch desselben italienischen Herstellers in Berlin aufgetaucht waren. Ein Teil davon wurde von Kontrolleuren bei einem Betrieb in Friedrichshain-Kreuzberg gefunden und ohne Untersuchung vernichtet. Der Rest war bereits im Umlauf oder verzehrt. So bleibt unklar, ob das Fleisch verunreinigt war.

Beide Funde gehörten zu einer mehrteiligen Lieferung aus Italien, so Steinbrenner. Weil Proben daraus kontaminiert waren, wurden die Handelsdaten Anfang November in eine internationale Datenbank für Behörden eingespeist, eine Art Frühwarnsystem. Auch in diesem Fall wurde die damalige Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) darüber nicht unterrichtet.

Wenn verseuchtes Fleisch bereits vernichtet oder verzehrt wurde oder im Umlauf ist, muss die Behörde darüber keine Auskunft erteilen. „Darüber hätten wir uns aber hinweggesetzt, wenn wir Bescheid gewusst hätten“, erklärte Steinbrenner. Eine Ausnahme besteht laut Gesetz, „wenn eine konkrete Gesundheitsgefahr vorliegt oder vorgelegen hat und eine Information für medizinische Maßnahmen angezeigt ist“.

Knake-Werner erstattete dem Senat gestern ausführlich Bericht. Senatssprecher Michael Donnermeyer sagte, es habe „kritische Fragestellungen“ gegeben. Das Wort „Rücktritt“ habe er jedoch nicht gehört. Die FDP fordert weiterhin die Entlassung Knake-Werners, die jetzt Senatorin für Integration und Soziales ist. Michael Schäfer, Sprecher der Grünen für Verbraucherrechte, vermutet, dass auch die 42,6 Tonnen „Gammelfleisch waren. Das liegt nahe, wenn es vom selben Hersteller kam.“

Streit gibt es auch über die Sondersitzung des Gesundheitsausschusses. Die Ausschussvorsitzende, Felicitas Kubala (Grüne) hatte die Sitzung auf Montag gelegt. Die Fraktionen von SPD und Linkspartei forderten gestern einen früheren Termin.