„Das hätte nicht passieren dürfen“

Klaus Wowereit sei lange genug in der Politik, um zu wissen, wie die Mediengesellschaft funktioniere, sagt Politologe Oskar Niedermayer. Die Standardentschuldigung zeige nur, dass er nicht den Mut habe, seinen Fehler einzugestehen

taz: Herr Niedermayer, erst will Klaus Wowereit seine Kinder nicht auf Kreuzberger Schulen schicken, dann entschuldigt er sich. Was ist mit dem Regierenden los?

Oskar Niedermayer: Mir ist nicht klar, warum Wowereit ein solcher Lapsus unterlaufen ist. So hätte ich ihn nicht eingeschätzt. Auf der anderen Seite kann ich mir aber auch nicht vorstellen, dass er das gezielt gemacht hat.

Worin bestand genau der Lapsus?

Mit dieser Aussage hat er Leute, die sich unter sehr schwierigen Bedingungen an diesen Schulen engagieren und Verbesserungen erreichen wollen, vor den Kopf gestoßen. Das hätte nicht passieren dürfen.

Gibt es bei Politikern nicht diese Zehntelsekunde nach einer Frage, in der sie sondieren: Was kann ich sagen und was nicht?

Die sollte es eigentlich geben. Jeder, der lange genug in der Politik ist, müsste wissen, dass in der heutigen Mediengesellschaft Aussagen von Prominenten in den Medien ordentlich verhackstückt werden.

Es gibt aber auch Leute, die sagen: Wowereit hat ausgesprochen, was viele denken. Hat er vielleicht nur eine Diskussion anstoßen wollen?

Wenn er die bloß angestoßen hätte! Meiner Ansicht nach ist sie aber nicht angestoßen worden. Er hat sich entschuldigt. Damit ist die Sache auch medial vom Tisch. Wenn er eine Diskussion hätte anstoßen wollen, hätte er es anders machen müssen.

Wie viel ist eine Entschuldigung wert, die mit den Worten beginnt: Wenn ich falsch verstanden worden sein sollte, dann …?

Das ist eine Standardentschuldigung von Politikern, die nicht den Mut haben zu sagen: Das war falsch. Stattdessen wollen sie immer falsch verstanden worden sein. Das ist eine Beschwichtigungsfloskel, die bei den Leuten auch nicht ganz so gut ankommt.

Nach der Wahl war Wowereit der große Sieger. Heute passiert ihm ein Fehler nach dem andern. Woran liegt das?

Solche Wahlkämpfe und auch die Zeit danach hinterlassen natürlich Spuren. Dennoch muss es jedem Politiker klar sein, dass er seine Worte sorgfältig wählen muss. INTERVIEW: UWE RADA