Einspruch abgepfiffen

Nach den Ausschreitungen im Fußballspiel Makkabi – Altglienicke waren die Beteiligten unzufrieden mit den Urteilen. Alle sind in Berufung gegangen, doch nur der Schiedsrichter hat Recht bekommen

VON JOHANNES KOPP

„Das sind doch nur Formalitäten“, heißt es oft, wenn Probleme kleingeredet werden sollen. Beim Berliner Fußballverband wurden am Montagabend aber Formalitäten zum alles beherrschenden Thema. Das eigentliche Problem trat in den Hintergrund – die vom jüdischen Verein TuS Makkabi Berlin beklagten antisemitischen Schmähungen bei einem Fußballspiel in Altglienicke. Darüber sollte in zweiter Instanz beim Verbandsgericht geurteilt werden. Die Berufungen, die TuS Makkabi und der VSG Altglienicke gegen das erste Urteil in dieser Angelegenheit eingelegt hatten, wurden aus formalrechtlichen Gründen zurückgewiesen.

Zur Vorgeschichte: Am 26. September brachen die Spieler des TuS Makkabi Berlin II ihre Partie beim VSG Altglienicke II nach 78 Minuten mit der Begründung ab, sie wollten sich nicht weiter den unzumutbaren verbalen Angriffen von etwa fünfzehn Zuschauern aussetzen. Sie berichteten von Rufen wie „Wir vergasen euch“, „Jude verrecke“, und „Heil Hitler, mein Führer“. Schiedsrichter wie auch Spieler und Verantwortliche von Altglienicke verteidigten sich vor dem Sportgericht am 13. Oktober damit, sie hätten von den Beschimpfungen gar nichts mitbekommen. Sie konnten sich lediglich an den Sprechchor „Hier regiert die NPD“ erinnern. Das Gericht hielt diese Aussagen für unglaubwürdig. Es verhängte für Schiedsrichter Klaus Brüning eine lebenslange Sperre, Altglienicke wurde mit zwei Spielen unter Ausschluss der Öffentlichkeit bestraft. Zudem verpflichtete man Spieler und Betreuer dazu, ein Antirassismus-Seminar zu belegen. Das abgebrochene Spiel sollte neu angesetzt werden.

Gegen dieses Urteil legten alle Berufung ein. Die Makkabi-Vertreter beanstandeten, dass Altglienicke im Vergleich zum Schiedsrichter viel zu milde bestraft wurde und es verpasst worden sei, gegen Rassismus und Diskriminierung ein deutliches Zeichen zu setzen. Der Schiedsrichter und die Vertreter des VSG Altglienicke dagegen sahen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und gingen ebenfalls gegen den Richterspruch vor.

Es war also reichlich Stoff für eine auch gesellschaftlich spannende juristische Auseinandersetzung vorhanden. Dass diese am Montag nicht geführt werden konnte, lag an Nebensächlichkeiten – die aber Voraussetzung für die Eröffnung eines neuen Verfahrens sind: Bei Makkabi fehlte unter dem Berufungsantrag eine zweite Unterschrift eines Vorstandsmitgliedes. Der Anwalt von Altglienicke hatte seinen Einspruch ein paar Minuten nach Ablauf der Frist gefaxt. Und Schiedsrichter Brüning hatte, anstatt den rechtlich vorgeschriebenen Weg über seinen Verein Borussia Pankow zu wählen, persönlich Berufung eingelegt.

Im Falle von Brüning rückte das Verbandsgericht allerdings von seiner formalrechtlichen Argumentationslinie ab. Seine lebenslange Sperre wurde mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Das Sportgericht wies man an, ein neues Verfahren einzuleiten. Begründet wurde dies mit verfahrenstechnischen Fehlern der ersten Instanz. Es hieß, Brüning sei dort als Zeuge geladen gewesen, aber als Beschuldigter behandelt worden.

Claudio Offenberg, der Vorsitzende der Fußballabteilung des TuS Makkabi, hält dies für völlig inkonsequent. „Wenn ich überall formaljuristische Mängel beanstande, kann ich doch nicht in einem Fall in die Sache eintreten.“ Dies habe das Gericht gemacht, indem es dem Sportgericht die Empfehlung gegeben habe, auch die Verdienste des seit vielen Jahren ehrenamtlich pfeifenden Schiedsrichters mit zu berücksichtigen. Dies käme einer Anweisung gleich, ein milderes Urteil zu fällen, so Offenberg.

Theoretisch hätte Makkabi noch die Möglichkeit, den Vorstand des Berliner Fußballverbandes darum zu bitten, das Verfahren neu aufzunehmen. Doch Makkabi-Vorstandsvorsitzender Tuvia Schlesinger hält diesen Schritt nicht für vielversprechend. Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Deutsche Fußball Verband (DFB) das Verfahren an sich reißt – die letzte Chance, sich inhaltlich mit einem Urteil zu beschäftigen, das für so viel Unzufriedenheit sorgte.