„Das ist revolutionär. Ganz klar“

Über die Luft in Bierzelten und die Angst vor Paragastronomie: Bayerns Gastronomiepräsident Siegfried Gallus fordert völliges Rauchverbot

taz: Herr Gallus, was geht in Bayerns Hotel- und Gaststättenverband vor?

Siegried Gallus: Nach unserer Entscheidung für ein Rauchverbot in der Gastronomie geht die Post ab. Wir haben eine Riesenresonanz von Kollegen. Die meisten sagen: Hut ab! Dass sich natürlich einige auflehnen, ist klar. Wir wissen ja, dass das revolutionär ist. Ganz klar. Die Wiesnwirte zum Beispiel sind nicht begeistert.

Weil Sie das Rauchen nicht nur in allen Restaurants, Kneipen, Diskos und Bars per Gesetz verboten sehen wollen, sondern auch in Vereinsheimen und Bierzelten. Wie kommt das?

Ich bin ja erst seit 24. Oktober Präsident. Wenn jemand frisch gewählt ist, kommen alle Verbände und Ärztevertreter. Die haben gesagt: Eure Selbstverpflichtung ist nur ein Alibi. Da haben wir umgedreht und gesagt: Wir sind nicht mehr gegen ein Gesetz, aber wir wollen gewisse Ausnahmen.

Und das ist Ihnen jetzt auch zu lasch.

Die größte Angst in Bayern haben die Wirte vor der Paragastronomie – Sportlerheime und Vereinsfeste, die auf einer Wiese stattfinden. Damit haben die Betriebe auf dem Land zu kämpfen wie sonst nirgends.

Als die Arbeitsgruppe von Union und SPD ihren Kompromiss mit der Unterscheidung zwischen Kneipen und Restaurants verkündete, haben Sie das aber noch begrüßt.

Wir haben damals schon gesagt: Es muss definiert werden, was eine Schankwirtschaft ist und was eine Speisewirtschaft. Dann hat plötzlich jedes Land gesagt: Machen wir was Eigenes. Und unser Ministerpräsident hat angekündigt, es sollen Bierzelte vom Verbot ausgenommen werden. Was ist ein Bierzelt? Wenn einer clever ist, macht er ein Raucherzelt und wandert durch ganz Bayern. Das ist dann auch ein Bierzelt.

In Bierzelten wird halt immer schon geraucht.

Es gibt eine Messung vom Oktoberfest im letzten Jahr. Da ist in einem Bierzelt eine zwanzigfach höhere Feinstaubbelastung gemessen worden als auf der Landshuter Allee in München. Zu mir sagen die Ärzte: Wollen Sie die Verantwortung übernehmen für Krebserkrankungen? Das klingt überspitzt, aber es ist einfach so.

Warum brauchen Sie ein Gesetz? Ihre Verbandsmitglieder können doch jetzt schon das Rauchen verbieten.

Können wir nicht. Wenn du das als Verband alleine machst, hast du sofort im Vereinsheim eine Raucherdisko.

Ihr Bundesverband Dehoga kämpft seit Monaten gegen Verbote. Reden Sie eigentlich noch miteinander?

Die sind natürlich nicht amüsiert. Ich hab gestern Abend sehr lange mit Ingrid Hartges, unserer Hauptgeschäftsführerin in Berlin telefoniert. Ich hab gesagt: Ingrid, der Druck unter unseren Mitgliedern ist einfach so stark geworden. Der Mitarbeiterschutz ist ja auch ein Aspekt. Und das Schlimmste wären 16 verschiedene Rauchergesetze in Deutschland. Dann hätten wir Rauchertourismus.

Selbst wenn es eine einheitliche Lösung gäbe: Wird es nicht auf einen Kompromiss hinauslaufen, der zwischen verschiedenen Gaststättentypen unterscheidet?

Wir brauchen Chancengleichheit. In einem Bierzelt wird auch Essen angeboten, da kann es 16 Meter hoch sein. Und der Wirt eines Restaurants müsste auf diese Gäste verzichten.

Würde so ein Gesetz den Wirten nicht schaden?

Gerade hat mich ein italienischer Kollege aus Mittenwald angerufen. Der hat gesagt: Ich hatte bis vor einem Jahr ein Raucherlokal und seit einem Jahr habe ich komplett Nichtraucher. Inzwischen macht er 13 Prozent mehr Umsatz.

Wie halten Sie es in Ihrem Hotel?

Im Hotelbereich sind zwischen 80 und 90 Prozent Nichtraucherzimmer. Von den Gasträumen ist einer komplett rauchfrei. Unsere Ofenstube. Die ist immer als erste belegt, obwohl es am Anfang auch Diskussionen gab. Das war bitterbös. So bin ich noch nie beleidigt worden. Aber wir ziehen das durch.INTERVIEW: GEORG LÖWISCH