Rechtsextremismus beginnt an der Schule

Nicht nur die Heitmeyer-Studie sieht einen Zusammenhang zwischen Schulsystem und Fremdenfeindlichkeit

Auch die Forscher der Friedrich-Ebert-Stiftung fordern: Die Schule muss demokratisiert werden

BERLIN taz ■ Je autoritärer erzogen und je schlechter gebildet Menschen sind, desto anfälliger sind sie für Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Diesen Befund bestätigt die aktuelle Heitmeyer-Studie. Die Fundamente rechtsextremer Einstellungen werden sowohl in der Familie als auch in der Schule gelegt.

Mit einer besseren Bildung gehe „eine Verringerung der Fremdenfeindlichkeit einher“, heißt es in der Studie weiter. Doch was soll diese gute Schulbildung leisten? Jedenfalls keinen politischen Werteunterricht, sagt der Forscher selbst im taz-Interview. Die Jugendlichen würden derart plakative Strategien als „Heuchelei“ durchschauen. Stattdessen zeigt die Studie andere Ansatzpunkte: Menschen mit fremdenfeindlicher Einstellung erlebten sich oft als politisch machtlos, heißt es darin. Sie hätten nicht das Gefühl, in der Demokratie etwas bewegen zu können. Um dieser „Demokratieentleerung“ zu entkommen, fordert Heitmeyer „eine neue Integrations- und Anerkennungspolitik“ und bessere Chancen in „relevanten Anerkennungsbereichen“. Dazu zählen neben der Arbeit auch die Schulen. Gerade junge Menschen bräuchten die „Erfahrung effektiver politischer Partizipation“.

Damit liegt der Bielefelder Forscher auf einer Linie mit der im November diesen Jahres erschienenen Großstudie der Friedrich-Ebert-Stiftung „Vom Rand zur Mitte“. Deren Autoren fordern ebenfalls, statt Demokratieunterricht im Klassenzimmer abzuhalten, gleich die Schulen selbst zu demokratisieren. „Wenn Schüler kaum Einfluss auf ihr Umfeld nehmen können, ist es kein Wunder, wenn die Demokratie ihnen als Erwachsene fremd bleibt“, erklärt der Leipziger Medizinpsychologe Elmar Brähler, einer der Verfasser der FES-Studie. „Die Schule muss also umgebaut werden.“

Zudem fordert Brähler auch ein sogenanntes Migrations-Mainstreaming. Die Tatsache, dass viele Schulkinder keinen deutschen kulturellen Hintergrund haben, müsse endlich in die Lehrpläne einfließen. Nicht plakativ, sondern ganz selbstverständlich. Bisher sei die Schule zu sehr „von einem hehren deutschen Bildungsideal“ geprägt. „Ein bisschen weniger Faust und dafür ein bisschen mehr Rap aus den sogenannten Problemvierteln“ könnten dem Unterricht nur gut tun, so der Verfasser der FES-Studie.

Obwohl die Befunde Heitmeyers und Brählers eigentlich Zündstoff für die Debatte über eine Reform der Schule liefern könnten, werden sie in der Diskussion nicht rezipiert. „Die Pädagogen sind am Zug“, sagt Brähler. Zumindest bisher aber hat sich keiner von ihnen gemeldet. DANIEL SCHULZ