Gebändigte Ungetüme

Mit Joseph Beuys und Matthew Barney bringt das Deutsche Guggenheim in Berlin zwei Helden der Aktionskunst zusammen. Die Aneinanderreihung ihrer Arbeiten erinnert mehr an Planschbecken

Synchronschwimmen im Deutschen Guggenheim Museum: Joseph Beuys und Matthew Barney. Trotz geografischer und zeitlicher Distanz, so verspricht die Ankündigung, gebe es ästhetische und konzeptuelle Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Aktionskünstlern, die aufzuzeigen sich lohne. Die Ausstellung ist strukturiert wie ein Erstlingswerk der Kunstgeschichte: 1. Vitrinen, 2. Skulpturen, 3. Zeichnungen, 4. Dokumentation. Und dann die Schlussbetrachtung.

„All in the present must be transformed“ kündigt der Titel die künstlerischen Metamorphosen an. Vielleicht sollte man da direkt mit der Transformation dieser Ausstellung beginnen. Denn so richtig im Präsens fühlt man sich im Guggenheim Museum nicht. Ein Prozess der Umwandlung, falls er denn einmal stattgefunden hat, ist auf jeden Fall lange vorbei. Das Fett auf der Tastatur von Beuys Setzmaschine ist geronnen, die Installation „Terremoto“ (1981), mit der Beuys die italienische Zeitung Lotta continua unterstützen wollte, steht seltsam historisch im Raum, eingezwängt zwischen den engen Wänden. Auf dem Schild liest man etwas von Energie, doch die ist erstarrt. Dieser Kampf ist auf jeden Fall vorbei. Eine Gruppe steht wissbegierig vor dem Ungetüm und bekommt alle politischen Bezüge erklärt. So wie sie hier steht, wird Beuys’ Kunst zu einer reinen Erklärkunst.

Dabei sollte es doch um die Aktion im Werk der beiden Künstler gehen. Um Bewegung, Performanz, Rituale. Doch auch auf Barneys Seite sieht es nicht viel besser aus. Die einzigen Konflikte mit Barneys „Chrysler Imperial“ (2002) sind die, die zwischen Besuchern und Museumswächtern entstehen, wenn Erstere aus Platzmangel über die Plastiken steigen. Eine „Kunstschachtel“ hat Martin Conrath auf www.kunst-blog.de das Berliner Guggenheim genannt.

In einem Planschbecken kann Synchronschwimmen nicht funktionieren. Der Ausstellung fehlt es letztendlich an Platz und an einer These. Die einzelnen Objekte sind gut gewählt, doch das allzu akribische Nebeneinanderstellen verführt zu sehr zu einem ständigen Hin und Her im Vergleichen der Künstler. Zudem scheinen sie sich gegenseitig die Luft zu nehmen. Die Frage, worin Beuys und Barney einander gleichen, ist dagegen einfach auch keine ertragbringende Frage an Kunst. Ist es nicht viel spannender, nach Brüchen zu suchen?

Im letzten Abschnitt der Ausstellung bekommt schließlich jeder Künstler seine abgetrennte Ecke. Man beobachtet Matthew Barney, wie er halbnackt in einem Geschirr über seiner Skulptur schwebt und sich mit den ihn haltenden Seilen abmüht. Sieht anstrengend aus. Nebenan performiert Beuys mit ähnlichen Mühen. Erst in der Beschäftigung mit diesen Videodokumentationen wird langsam klar, was mit den Kraftfeldern gemeint sein könnte, die diese beiden Künstler verbinden. „All in the present must be transformed“ – schauen Sie sich die Ausstellung von hinten an! JUDITH LUIG

Bis 12. 1.07., Deutsche Guggenheim Berlin