Nachts zieht der Qualm wieder auf

Während Bund und Länder um ein Gesetz zum Nichtraucherschutz ringen, haben Lokale längst eigene Lösungen gefunden: Tagsüber ist Rauchverbot, abends werden die Aschenbecher ausgepackt. Denn durchgehend rauchfrei rechnet sich nicht

„Wir sind ein französisches Café. Abends zu Wein, Käse und Quiche,da wollen viele Gäste eben auch eine rauchen“

VON WOLF SCHMIDT

Eine „rauchfreie Zeitzone“ hat sich das Café „Fleury“ in Berlin-Mitte ausgedacht und erprobt sie seit acht Wochen. Bis 16 Uhr am Nachmittag ist das Rauchen jetzt verboten. Wenn Stammgast Markus Maaz, 36, vorher dennoch rauchen will, muss er rausgehen, sich in eine Wolldecke einhüllen, sich von der Bedienung den Wärmestrahler anschalten lassen – und mit seiner Zigarette an den Tischen vor dem Café sitzen. „Das hat auch sein Gutes“, sagt Maaz. „Wenn ich zum Rauchen raus in die Kälte muss, ist die Hemmschwelle höher.“

Am Abend aber werden im „Fleury“ die Aschenbecher ausgepackt, dann darf auch im Inneren geraucht werden. „Wir sind ein französisches Café“, erklärt Betreiberin Betty Armbruster-Haak, 44. „Abends zu Wein, Käse und Quiche, da wollen viele Gäste eben auch eine rauchen“, meint sie. Das sei für manche eine „Lebensstilfrage“. Auch wenn sie als Nichtraucherin das Qualmen gerne ganz verbieten würde: Zu später Stunde haben hier die Raucher das Sagen. Und der Kunde ist eben König.

Für Café-Gast Dagmar Damrös, 34, ist das ein fauler Kompromiss. Lieber wäre ihr rauchfrei rund um die Uhr, überall. „Die meisten haben Angst, dass sie dann Kunden verlieren“, sagt sie. Doch die sei unbegründet. Die Dramaturgin reist oft nach New York, wo das Rauchen inzwischen so gut wie überall verboten ist. Dort hat sie die Erfahrung gemacht: Rauchfrei auszugehen, zerstört die Stimmung nicht. „Es ist herrlich, nach dem Feiern nach Hause zu kommen und sich nur mit seinem Rausch beschäftigen zu müssen – und nicht auch noch nach Rauch zu stinken.“

Doch statt Rauchverbot rund um die Uhr setzt sich in vielen Berliner Lokalen der Teilzeit-Nichtraucherschutz durch. Im Kreuzberger Bistro „Milagro“ hat der Betreiber zwar ein rauchfreies Hinterzimmer abgetrennt. Am Nachmittag sitzen hier oft Eltern, ein Kinderstuhl steht einsatzbereit in der Ecke. Aber auch hier werden die Nichtraucher nur tagsüber geschützt – ab 20 Uhr darf überall geraucht werden. „Manchmal ärgern sich die Nichtraucher, wenn plötzlich die Zigaretten ausgepackt werden“, sagt Kellner Adigüzel Yorgun, 31. Der ein oder andere sei auch schon aufgestanden und gegangen. Im Großen und Ganzen sei dies aber ein „pragmatischer Kompromiss“, der es allen Parteien recht mache.

Es ist vor allem ein Konzept, das sich streng an der Nachfrage ausrichtet. Denn am Abend haben auch im „Milagro“ die Raucher die Überhand. Stammgäste wie Tamer Ugurluabaci, 46, der sich „Genussraucher“ nennt. Seine selbstgedrehten Zigaretten raucht er stets mit Mundstück. Herrschte hier den ganzen Tag in allen Räumen Rauchverbot, käme er wohl nicht mehr her: „Dann würde ich nicht mehr in die Kneipe gehen, sondern zu Freunden gehen oder Freunde zu mir einladen.“

Am späten Abend bleibt hartgesottenen Nichtrauchern in Berlin nur wenig Auswahl. Durchgehend rauchfrei ist die Ausnahme. Der Grund ist simpel: Es scheint sich für die Betreiber nicht zu rechnen. Conni Meyer, 29 und ihr Mann Bernd, 35, sitzen an diesem Abend im „Mia“ in Prenzlauer Berg, im Hintergrund läuft Elektro-Musik. Die jungen Eltern wollten heute unbedingt mit Freunden ein paar Cocktails trinken gehen – und dabei ihre zehn Monate alte Tochter Emmelina mitnehmen. Sie bekommt auch etwas ab vom Cocktail: die Ananas-Garnitur vom Glasrand, auf der sie herumknabbert.

Mit dem Kind in eine Bar gehen: das geht nur, weil hier im „Mia“ das Rauchen verboten ist. Und das nicht nur tagsüber, sondern rund um die Uhr. „Passives Alkoholtrinken gibt es ja nicht, aber Passivrauchen schadet den anderen Leuten“, sagt Rahul Sharma, 29, der die rauchfreie Bar zusammen mit seiner Freundin Mia Köhler, 26, seit einem Jahr betreibt. Ihre Idee war: In Prenzlauer Berg leben so viele junge Familien wie sonst nirgendwo in Berlin, da wollen sicher viele auch mal abends trinken gehen, ohne zugeraucht zu werden.

Doch die Wirklichkeit ist eine andere. Das „Mia“ ist zwar tagsüber oft voll, hier kommen tatsächlich viele Familien, um Kaffee zu trinken. Aber um 21 Uhr ist nur noch wenig los. Familie Meyer ist heute mit ihren Freunden die einzige Kundschaft in der rauchfreien Bar. „Wir hatten ursprünglich mehr Andrang am Abend erwartet“, sagt Sharma. Ein Teilzeit-Rauchverbot, wie es im „Fleury“ oder dem „Milagro“ herrscht, komme jedoch für das „Mia“ nicht in Frage. „Das riecht man noch lange danach, wenn einmal wo geraucht wurde“, sagt Sharma.

Die „Mia“-Betreiber haben aus ihrer Erfahrung, dass die Berliner offenbar abends nicht so viel Wert auf komplette Rauchfreiheit legen wie tagsüber, eine andere Konsequenz gezogen: Wer am späten Abend noch auf einen Cocktail vorbeikommen möchte, muss jetzt vorher per Telefon reservieren. Ansonsten schließt die Bar neuerdings schon um 19 Uhr.