Der Aussteiger vom rechten Rand

Der Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche hat vor seinem Abgang aus der CDU einige Tage verstreichen lassen, um ihm den Anstrich der Freiwilligkeit zu geben. Vor einer reichlichen Woche hatte er in der Sitzung des CDU-Kreisvorstandes Kamenz-Hoyerswerda noch um seinen Verbleib im Amt des Kreisvorsitzenden gekämpft. Vergeblich. Die Drohung einer Mehrheit mit einem Kreisparteitag zwang ihn nach seinen scharf rechten Entgleisungen über deutschen „Schuldkult“ und „Multi-Kulti-Schwuchteln“ zum Rücktritt.

Nun begleitete er seinen schon mehrfach von Grünen, SPD und Linkspartei geforderten Parteiaustritt mit einigen Nachtritten. Die Presse erfuhr von seiner Absicht früher als der Landesverband, dem er es in einem Interview mit der Sächsischen Zeitung noch einmal so richtig gab. CDU-Landeschef Georg Milbradt und Generalsekretär Michael Kretschmer zeigten „Doppelmoral“, wenn sie seine Äußerungen erst herunterspielten, ihn dann aber unter öffentlichem Druck fallen ließen. Die CDU wage nicht mehr offen zu sagen, was viele Leute dächten. „Schon die Dakotas sagten, wenn du merkst, du reitest ein totes Pferd, dann steige ab.“ Sein Bundestagsmandat will Nitzsche aber behalten.

Zur CDU kam Nitzsche erst 1993 von der DSU, dem ostdeutschen CSU-Wendeableger. Schon im sächsischen Landtag fiel der gelernte Töpfer, Forst- und Betriebswirt weniger durch intellektuelle Brillanz als durch den hochroten Kopf eines Cholerikers auf. Er wurde 1959 in Kamenz aber auch in eine Lausitzer Region hineingeboren, deren geistiges Klima als besonders muffig und unaufgeklärt gelten kann. Nicht von ungefähr errang Nitzsche bei der Bundestagswahl 2005 in seinem Wahlkreis mit dem NPD-Slogan „Arbeit, Familie, Vaterland“ ein Direktmandat. Im CDU-Kreisverband hat er nach wie vor zahlreiche Anhänger.

Seit 2002 im Bundestag, machte er weniger als Experte für Wohnen, Bau und Verkehr als durch markige Sprüche von sich reden. Einen rügte sogar Parteichefin Angela Merkel: Eher werde einem Muslim „die Hand abfaulen“, als dass er CDU wähle, ließ sich Nitzsche vernehmen. Eine Rede vor der Dresdner Burschenschaft „Cheruskia“, in der er den „letzten Ali aus der letzten Moschee“ attackierte, blieb ebenso folgenlos wie ein Interview mit der Jungen Freiheit. Die NPD schickte ihm bereits vor zwei Wochen einen Beitrittsantrag.

Nitzsches Zitatenschatz füllt Bände. Ein krasser Einzelfall ist er indessen nicht. „Das Problem“, so ein Zwischenruf des SPD-Abgeordneten Karl Nolle gestern im Sächsischen Landtag, „sind die vielen kleinen Nitzsches in der CDU.“

MICHAEL BARTSCH