Die stolze Emmama

Ortstermin: 30 Jahre Frauenzeitschrift „Emma“. Herausgeberin, Chefredakteurin und Verlegerin Alice Schwarzer feiert sich angemessen – mit einem Jubiläumsheft in der Bundespressekonferenz. Ist sie etwa angekommen?

VON SUSANNE LANG

Der lange Marsch gegen die Institution Mann scheint sich gelohnt zu haben. Alice Schwarzer jedenfalls sieht an diesem Freitag so aus, als wäre sie am richtig Ort angekommen: mitten in Berlin, am politischen Spreeviertel, in der Bundespressekonferenz. Schräg gegenüber residiert die mächtigste Frau der Republik, Bundeskanzlerin Angela Merkel, und macht Politik. Hier, in der Bundespressekonferenz, spricht die wortmächtige Überfrau, Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer, und übt sich in Selbstbestätigung.

Einen gewichtigen Anlass dazu kann und will ihr niemand mehr absprechen, selbst die Männer „in den Männermedien“ nicht mehr, wie die anderen Nachrichtenorgane im Emma-Jargon früher hießen. Denn Emma, das „Magazin von Frauen für Menschen“, wie sich die Zeitschrift selbst bezeichnet, feiert ihr 30-jähriges Jubiläum. Zwar ist dies offiziell erst im Januar, das Doppelheft zum runden Geburtstag inklusive einer extra angefertigten Allensbach-Umfrage zum Stand der Emanzipation im Allgemeinen und zum Image von „Emma & Alice – und Angela“ im Besonderen liegt jedoch bereits ab kommenden Dienstag an den Kiosken.

Zu Ersterer, der Emanzipation, gibt es selbstverständlich auch nach 30 Jahren feministischen Journalismus noch so einiges zu debattieren, weshalb Alice Schwarzer in Berlin ein Punkt der Allensbach-Umfrage sehr am Herzen liegt: Nur ein Drittel aller deutschen Frauen sieht die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau weitgehend verwirklicht. 61 Prozent finden, dass „noch einiges getan werden muss“ – ein Grund mehr für die Existenz von Emma, so möchten doch alle meinen. Unglücklicherweise teilen diese Ansicht mittlerweile sogar die „Männermedien“ wie die Zeit, die zuletzt einen neuen Feminismus einforderte. Die Frauenfrage ist im Mainstream angekommen, nicht zuletzt aufgrund der ersten Kanzlerin, auch der Arbeitsmarkt hat seinen Anteil daran. Seit sich dort ein Mangel an gut ausgebildeten, akademischen Arbeitskräften angekündigt hat, interessiert Frau – auch wenn sie sich wie Eva Herman doch lieber wieder auf das Mutter- und Hausfrauendasein zurückziehen will.

Alice Schwarzer und ihre Emma muss die neue Konkurrenz jedoch nicht weiter stören, schließlich lieben Medien die Konfrontation von prägnanten Goodgirls und Badgirls. Alice Schwarzer als Vorzeigefeministin der alten Schule, des 70er-Jahre-Feminismus ist eine gute Marke, auch wenn sie Duelle wie zuletzt vor sechs Jahren im ZDF mit Verona Pooth nach eigener Aussage nicht mehr interessierten. Mit Eva Herman würde sie nicht streiten, denn von dieser Art „Hennenkämpfe“ halte sie gar nichts. Sagt sie zumindest.

Ebenso wenig zu einem offiziellen Streit gelaunt sieht sie sich im Hinblick auf die sogenannte zweite Generation von Feministinnen, wie etwa Autorin Thea Dorn, die sich mit der „neuen F-Klasse“ vom 70er-Jahre-Feminismus distanziert und dennoch als Feministin definiert. „Ich freue mich, dass es eine Zeitschrift wie Emma gibt“, meinte Dorn anlässlich des Geburtstags gegenüber der taz. „Noch mehr freuen würde ich mich, wenn sie in ihrem 31. Lebensjahr weniger über Tierversuche und Wolfsfrauen berichten und dafür noch stärker vermitteln würde, dass ein feministisches Magazin kein Spartenmagazin wie Computerwelt oder Outdoor ist, sondern Feminismus Teil des größeren Kampfes für Aufklärung, Zivilisation und Individualität ist.“ Schwarzer selbst hingegen freut sich „über jede neue feministische Stimme, die hinzukommt“, wie sie milde lächelnd zugesteht. Nur Dorns Titel „F-Klasse“, den halte sie doch für etwas „elitistisch“.

Der plausible Grund für Schwarzers neuartige Gelassenheit residiert schräg gegenüber im Kanzleramt. Wozu mit Hennen kämpfen, wenn Angela Merkel mit prominenter Unterstützung von Alice Schwarzer nun regiert. „Wir sind Kanzlerin“, schrieb Schwarzer nach der Wahl in Emma, dem ist wohl nichts hinzuzufügen.

Um das Image von „Emma & Alice – und Angela“ muss sich also niemand sorgen – auch wenn Schwarzers Relevanzorgan seit einigen Jahren schwächelt. Zwar konstatiert Allensbach der Emma eine sich stetig verjüngende Leserinnenschaft, doch die IVW-Zahlen über Auflage und Verkauf verschlechtern sich kontinuierlich. Lag die verkaufte Auflage vor fünf Jahren, zum 25. Jubiläum, noch bei gut 53.000 Exemplaren, so sind es heute, im dritten Quartal 2006, nur mehr 39.000.

Für Emma und Alice zählt ein anderer Parameter: der in einer Medienlandschaft so geschätzte Relevanz- und Bekanntheitsgrad. Laut Allensbach haben 57 Prozent der Deutschen schon einmal etwas von Emma gehört, 2 Prozentpunkte mehr als noch vor fünf Jahren. Die Gruß- und Glückwunschliste im aktuellen Jubiläumsheft liest sich dementsprechend prominent: von ZDF-Peter Hahne über CDU-Roland Koch und Bild-Kai Diekmann bis hin zu TV-Lady Anke Engelke und ihr, der Kanzlerin, höchstpersönlich.

Gleichzeitig entdeckt Emma zum Jubiläum das alte „Emma-Prinzip“ neu, wie man dem Cover entnehmen darf. Das Schwerpunkt-Dossier im Innenteil kündigt eine neue Kampagne an: gegen die mittlerweile legalisierte Prostitution. Fast wie in alten Zeiten, als Emma noch nicht dreißig war und mit Abtreibungs- und Anti-Porno-Kampagnen Politik machte.