Protestler für 30 Euro Stundenlohn gekauft

Kassenärzte haben bei einem Hostessenservice „Ärzte“ gemietet, um gegen Gesundheitsreform zu protestieren

BERLIN taz ■ Es war zum Herzerweichen. Frau Doktor stand da, direkt vor dem Reichstag, und hängte symbolisch ihren Arztkittel an den Haken. Man könne nur noch auswandern, lautete die Botschaft – weil in Deutschland die Bedingungen für Mediziner furchtbar seien. Insgesamt demonstrierten 200 Ärzte. Am Schluss hingen am Platz der Republik tausende Weißkittel an einer Wäscheleine. „Geiz macht krank“, teilte die Kassenärztliche Vereinigung dazu mit.

Richtig ist, dass nicht wenige Mediziner Deutschland den Rücken kehren, um etwa in England als Arzt zu arbeiten. Falsch hingegen war, dass am Donnerstag vergangener Woche tatsächlich entnervte Ärzte durch symbolisches Berufs-Aufgeben gegen die Gesundheitsreform protestierten. Wer da vor dem Reichstag die Berufskleidung ablegte, waren Studenten, Arbeitslose und andere. Die Kassenärzte heuerten die empörten vermeintlichen Kollegen über den Hostessenservice „Jacktiger“ an. Es gab pauschal 30 Euro, um sich „eine Stunde lang als Menschenkette für eine Presse- und Fernsehaktion zu platzieren“. Insgesamt 170 Miet-Demonstrierer vertraten die Kassenärzte, die zu gleicher Zeit wohl Geld verdienten.

Waren das gekaufte Protestierer? Handelten die Ärzte nach der Methode „rent an demonstrant“? I wo, wiegelt der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ab. Andreas Köhler findet es „total normal“, sich gesellschaftliche Aufregung einzukaufen. „Die KBV hat nie zu einer Demonstration vor dem Reichstag aufgerufen“, beruhigte Köhler. Es sei nur der Abschluss einer PR-Kampagne gegen die Gesundheitsreform gewesen.

Es ist nicht das erste Mal, dass in der Medizinlobby Protestformen populär gemacht werden. Im Herbst hatten erstaunlich viele Privatversicherte erstaunlich gleichlautende Protestschreiben an Bundestagsabgeordnete der SPD gesandt. Vielleicht sollte man sich über so was nicht wundern, sondern Lobby-PR konsequent abkassieren. Das Grünflächenamt des Berliner Bezirks Mitte begnügt sich bislang damit, Auftritte auf dem Platz der Republik zu genehmigen. Es sollte sie künftig in Rechnung stellen – jedenfalls dann, wenn es für Public Relations ist. CIF