„idomeneo“, terror etc.
: Großes Kino

Es war die Schmierentragikomödie des Jahres 2006. Und heute Abend, wenn der Islamrat mit Innenminister Wolfgang Schäuble zum Schluss von Hans Neuenfels’ Inszenierung der Wolfgang-Amadeus-Mozart-Oper „Idomeneo“ das Herzeigen der abgeschlagenen Köpfe von Poseidon, Jesus und Mohammed hinter sich gebracht hat, wird auch sie endlich vorbei sein. Der „Idomeneo“-Skandal: die schönste deutsche Posse seit dem Skandal der Hitler-Tagebücher. Ja, es gibt eine Bedrohung der Freiheit der Kunst durch religiösen Fundamentalismus, das soll gar nicht in Abrede gestellt werden. Aber Hitler gab es ja auch. Nur die Tagebücher waren gefälscht. Genauso ist es hier auch: eine tatsächliche Bedrohung der Deutschen Oper konnte nie festgestellt werden.

Nun liegt der tragikomische Kern des Skandals um die Hitler-Tagebücher auf der Hand: der Kontrast zwischen dem lustbesetzten Grauen, die echten Tagebücher des Führers in der Hand zu halten, zur Geschichte ihrer tatsächlichen Entstehung in der Kujau’schen Fälscherwerkstatt. Im Fall „Idomeneo“ ist es komplizierter, aber nicht weniger komisch. Eine Operngängerin, die bei der Islamismus-Hotline anruft, nachdem sie die Inszenierung gesehen hat. Polizeibeamte, die sich die Oper anschauen müssen. Ein Innensenator, der jeden Morgen ängstlich aus dem Autofenster schaut, ob das Operngebäude noch da ist. Eine CDU-Bundeskanzlerin, die dringend dazu auffordert, das Stück wieder aufzunehmen. Und am allerbesten: die Islamkonferenz, deren Würdenträger dem Wunsch des Innenministers nachkommen, durch den gemeinsamen Opernbesuch zu demonstrieren, dass auch sie für die Freiheit der Kunst sind. Nur die Bombenleger wissen von alldem nichts, wo auch immer sie sich herumtreiben.

Am Ende ist es wahrscheinlich die gute, alte Leitkultur-Debatte, die uns diesen ganzen Wahnsinn eingebrockt hat. Diese Idee, dass der identitäre Kern der deutschen Nation in der Kultur zu suchen ist. So gesehen, signalisiert der „Idomeneo“-Skandal auch einen Fortschritt: Zum ersten Mal werden Migranten eingeladen, dieses zentrale Feld der ideologischen Selbstbeschreibung zumindest zu betreten. Wenn es auch ein Angebot ist, das schlecht abzulehnen ist: Denn jeder, der nicht mitkommt, macht sich verdächtig, die Oper doch in die Luft jagen zu wollen, auch wenn er oder sie vielleicht nur Mozart nicht mag. Ganz großes Kino, trotzdem. Die zufriedenen Gesichter beim Schlussapplaus geben eine schöne Schlusseinstellung ab. TOBIAS RAPP