Totenschädel-Skandal lässt Afghanen kalt

Empörung über makabre Soldatenfotos rein inländisches Phänomen. Bundeswehr kündigt Disziplinarverfahren an

BERLIN taz ■ Die „Totenschädel-Affäre“ der Bundeswehr war in Afghanistan offenbar kaum Thema. Mitarbeiter von politischen Stiftungen berichten aus Kabul, viele Menschen hätten nichts von den „Skandal-Fotos“ mitbekommen, die in der deutschen Bild-Zeitung Ende Oktober veröffentlicht wurden. Jetzt belegt auch eine Umfrage der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung: „Das Fehlverhalten einzelner Soldaten beeinträchtigt die deutsch-afghanischen Beziehungen nicht.“ Dies habe die Mehrheit der 1.120 befragten Afghanen „quer durch alle Schichten“ angegeben. Die Stiftung hatte sie gemeinsam mit Studenten der Uni Kabul im November interviewt.

Zwei von fünf Afghanen wussten damals nichts von den Fotos, auf denen Bundeswehrsoldaten mit Schädeln in makabren Posen zu sehen sind. Ihnen legten die Interviewer einen BBC-Bericht in Landessprache vor. Diejenigen, die davon wussten, rechnen es der Bundeswehr hoch an, dass sie von sich aus sofort begonnen hat, die Vorfälle aufzuarbeiten.

Dass die Menschen in Afghanistan wenig von der Aufregung in Deutschland mitbekamen, liegt erstens an den zahlreichen Stromausfällen, die Fernsehen, Radio und Internet lahmlegen. Zweitens hätten die Menschen „andere Probleme“, erklärt Babak Khalatbari, Büroleiter der Stiftung in Kabul. „Kollateralschäden“ von Angriffen bei Kandahar mit bis zu 100 Toten seien nun mal „etwas viel Schlimmeres“.

Auch den Ärger um die angebliche Totenschändung, von der in Deutschland zunächst die Rede war, konnte man in Afghanistan offenbar nicht nachvollziehen. „Das war reines Mediengewäsch“, spottet ein Islamwissenschaftler, der nicht genannt werden will. „Keiner der viel zitierten Experten hat je ernsthaft davor gewarnt, dass es Racheakte wegen der Störung der Totenruhe geben wird.“ Der Totenkult spielt im Islam eine viel geringere Rolle als im Christentum.

Ein weitaus wichtigeres Thema ist der Umfrage zufolge der Einsatz der Nato-Schutztruppe in Afghanistan. Die Zahl ziviler Opfer – allein in diesem Jahr etwa tausend – steigt, das Ansehen sinkt. Nur 40 Prozent der Befragten gaben an, dass die Nato zur Sicherheit im Land beitrage.

Auch in Deutschland ist es wieder ruhig geworden um die Affäre. Das Verteidigungsministerium gab am vergangenen Freitag einen Zwischenstand der bundeswehrinternen Untersuchung bekannt. Sieben Soldaten sollen disziplinarrechtlich belangt werden. Ihnen drohen Degradierung, Beförderungsstopp und eine Kürzung des Soldes. Vier weitere Mannschaftsdienstgrade kommen ohne Verfahren davon. Ihnen wird mildernd angerechnet, dass Vorgesetzte sie nicht daran hinderten, mit menschlichen Knochen zu posieren. In der vorigen Woche hatte die Staatsanwaltschaft strafrechtliche Ermittlungen mit der Begründung eingestellt, dass die Totenruhe nicht gestört worden sei. Bei dem Gelände mit den Totenschädeln habe es sich um eine Lehmgrube gehandelt, nicht um ein Grab.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, will als Konsequenz aus der Affäre Soldaten mit Führungsverantwortung stärker auf ihre ethische und moralische Verantwortung im Einsatz vorbereiten. Es soll einen „Ausbildungspass“ geben, der die „gute und zweckmäßige Ausbildung der Bundeswehr“ bestätigt.

KATHARINA KOUFEN

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