Milliardengeschenke für IT-Riesen

Auf dem Info-Gipfel verspricht Kanzlerin Angela Merkel der Branche 1,2 Milliarden Euro Förderung. 250 handverlesene Gäste der Wirtschaft tagen am Plattner-Institut der Uni Potsdam. Datenschützer und kritische Studenten dürfen nicht mitreden

AUS POTSDAM WOLF SCHMIDT

Die anwesenden InformatikstudentInnen wollten natürlich diskutieren. Mit Transparenten bewaffnet, protestierten sie gestern gegen den IT-Gipfel am Potsdamer Hasso-Plattner-Institut. Sie wollten wissen, wie man das „Ausspionieren“ der Bürger verhindern und kostenlose Software voranbringen könne. „Das ist doch alles Inszenierung“, schimpfte ein Fachschaftsvertreter über den Gipfel, den die Bundeskanzlerin einberufen hatte.

Der erste nationale Konvent zur Informationstechnologie wurde zum Medienspektakel. Neben der Kanzlerin kamen gleich drei Bundesminister sowie Chefs der Branchenriesen Telekom, Arcor und eBay an das Eliteinstitut der Uni Potsdam. In Arbeitsgruppen entwickelten sie Strategien, wie sie die deutsche IT-Branche an die Weltspitze bringen können.

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sagte zur Eröffnung, Innovationen im IT-Bereich müssten zügiger als bisher in marktreife Produkte münden. Staat und Unternehmen müssten diese Herausforderung gemeinsam bewältigen.

Die Bundeskanzlerin selbst kam erst am Nachmittag. Von den Medien abgeschirmt, aß sie erst mal mit 250 Vertretern aus der IT-Branche und der Wissenschaft zu Mittag – um danach die Weihnachtsgeschenke der Regierung zu verkünden.

1,2 Milliarden Euro Förderung erhält die IT-Branche in den nächsten drei Jahren. Sie sind Teil einer Hightech-Initiative der Bundesregierung in Höhe von 15 Milliarden Euro. Die Fördergelder sollten allerdings in strategisch wichtige Zukunftstechnologien fließen und „nicht mit der Gießkanne“ verteilt werden, so Merkel. Außerdem müsse die Branche stärker mit der Auto- und Chemieindustrie vernetzt werden. „Ohne die IT-Branche werden die klassischen Stärken Deutschlands keine Stärken bleiben“, warnte die Kanzlerin. Ihr Ziel sei es, die Forschungsausgaben auf 3 Prozent des Inlandsprodukts zu erhöhen – im Übrigen wünscht sie sich mehr Enthusiasmus. In der Gesellschaft sei „Freudigkeit an Innovationen“ nötig, sagte Merkel.

Die Gipfelfreude sollte wohl auch die zahlreichen Streitpunkte überdecken, die es im Vorfeld der Veranstaltung gegeben hatte. So hatte sich der Branchenverband Bitkom für ein neues Zuwanderungsgesetz eingesetzt. Das bisherige Gesetz habe einen Zuzug qualifizierter Fachkräfte eher verhindert, beklagte der Verbandsvize Jörg Menno Harms. 50 Prozent der Betriebe fänden derzeit nicht die benötigten Experten.

Verschnupft reagierten auch die Datenschützer: Keiner von ihnen war zu dem Treffen eingeladen worden. Und das, obwohl sich der IT-Gipfel auch damit beschäftigte, wie Barcodes in Supermärkten durch Funkchips ersetzt werden können. Der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar, erklärte, die negativen Folgen der Informationstechnologie für den Datenschutz ließen sich nicht allein durch Gesetze verhindern. Bereits bei der Konzeption von IT-Systemen solle das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beachtet werden.

Doch für eine kritische Diskussion war kein Platz in Potsdam. Das bekamen auch die StudentInnen zu spüren. Nach zehn Minuten Aufregung mussten sie ihre Transparente schon wieder einpacken.

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