FDP streitet über Durchsuchung per Mausklick

Prominente Liberale in Nordrhein-Westfalen kritisieren das neue Verfassungsschutzgesetz des eigenen Innenministers

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: „Schlimmer als der Lauschangriff“

DÜSSELDORF taz ■ Für Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist das neue nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz „schlimmer als der Lauschangriff“. Verantwortlich dafür ist ihr Parteifreund und NRW-Innenminister Ingo Wolf. Heute will die schwarz-gelbe Mehrheit im Landesparlament das neue Verfassungsschutzgesetz verabschieden.

Hauptpunkt des liberalen Werkes: Die Verfassungsschützer sollen sich künftig in private Personalcomputer hacken dürfen. NRW ist das erste Bundesland, dass diese Online-Durchsuchung erlaubt. „Das ist eine unglaubliche Ermächtigungsgrundlage“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger der taz. Die liberale Ex-Justizministerin kritisiert ihren Parteifreund Wolf: „Dieses Gesetz sollte nicht verabschiedet werden.“

Tatsächlich finden die PC-Schnüffeleien nach Einschätzung von Geheimdienstexperten schon in nahezu jedem Bundesland statt. In welchem Ausmaß, ist unbekannt. Die NRW-Landesregierung ist allerdings die erste, die diesen Eingriff nun auf eine rechtliche Grundlage stellen will. „Mit dieser Gesetzesänderung tritt der Verfassungsschutz auf technische Augenhöhe mit den Verfassungsfeinden“, sagte Innenminister Wolf.

So sei die geplante Kontrolle von Internet und Privatcomputern ein Mittel, um Informationen über Anschlagspläne zu erhalten. In den nächsten Jahren sollen diese Schnüffelmethoden aber noch einmal überprüft werden. Das NRW-Innenministerium erwartet auch eine „Reaktion des Bundesverfassungsgerichtes“, so Sprecherin Dagmar Pelzer. Das müsse NRW im Blick haben.

Bislang gibt es keine Rechtsprechung zur Online-Durchsuchung von Verfassungsschützern. Die Ausforschung eines Computers durch Staatsanwaltschaft und Polizei hatte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe aber vor einer Woche abgelehnt. Für solch eine weitreichende Maßnahme gebe es keine gesetzliche Grundlage.

Offensichtlich sorgt sich mittlerweile auch die Regierungspartei FDP um das Gesetzeswerk ihres Innenministers. Gisela Piltz, Chefin der NRW-Landesgruppe im Bundestag, sagte der taz: „Ich wehre mich gegen diese Online-Schnüffelei.“ Wolf setze in NRW um, was die FDP im Bund kritisiere, so Piltz. Es sei ein erheblicher Eingriff, wenn eine Behörde sehe, welche Seiten die beobachteten BürgerInnen im Internet ansähen oder welche Briefe sie schrieben. Dieses Vorgehen sei mit dem Rechtsstaat nicht vereinbar.

Das finden auch die nordrhein-westfälischen Jungliberalen. „Wir sind nicht glücklich mit dem Gesetz“, sagte ihr Vorsitzender Marcel Hafke. Das Gesetz sei nicht „liberal“ und könne auch den Terrorismus nicht bekämpfen. Heute solle Wolf das Gesetz im Landtag gar nicht erst zur Abstimmung bringen.

Auch Gerhart Baum, ausgewiesener Bürgerrechtler bei der FDP, kritisiert die Gesetzesnovelle. „Es ist ein Fehler, dem Verfassungsschutz den Einblick in die Internetdateien eines Bürgers zu erlauben“, sagte der liberale frühere Innenminister. Das sei so, als ob der Staat das Tagebuch von BürgerInnen lesen dürfe. „Ich rate Ingo Wolf, seinen Vorschlag noch einmal zu überdenken.“

ANNIKA JOERES