Fred, Wilma, Tom, Jerry und Joseph

Der Cartoonist Joseph Barbera hat Kinder fernsehsüchtig gemacht und ist jetzt im Alter von 95 Jahren gestorben

Das kommt dabei heraus, wenn ein Banker zeichnet. Mehr aus Zufall hatte Joseph Barbera in den frühen 1930er-Jahren seine Cartoons bei Zeitschriften eingesandt. Aber lediglich Collier’s Magazine wollte sie drucken. Und von den Walt-Disney-Filmstudios wurde er nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen, als er sich dort für einen Job als Zeichner bewarb. Trotzdem ist Barbera, der am Montag 95-jährig in Los Angeles starb, einer der berühmtesten Zeichentrickfilmer geworden, der acht Emmys im Laufe seiner Karriere einheimste. Und man fragt sich: Wie konnte das geschehen?

Natürlich sind „Tom & Jerry“ schuld. Die ungleiche Paarung von Katz und Maus, die Barbera und sein Kompagnon William Hanna erfunden hat, wurde schon mit der ersten Episode 1940 zum Markenzeichen eines neuen Cartoonstils. Anders als die minutiös nach europäischen Vorbildern gemalten Märchenfiguren von Disney war „Tom & Jerry“ enorm modern: wendig, stromlinienförmig und bis in die Konturen standardisiert. Ein bisschen Drama der Großstadt und dennoch sehr viel Apfelkuchenfolklore made in USA.

Anders auch als „Daffy Duck“ oder „Bugs Bunny“, mit denen Animationsstars wie Chuck Jones und Fritz Freleng bei Warner Brothers für den durchgedrehten Humor der Koks-und-Cola-Ära sorgten, waren Hanna-Barbera-Produktionen stets ein wenig zu brav, zu vorhersehbar, fast schon spießig. Das merkt man an dem immergleichen Sieg der kühl rational handelnden Maus über den zwischen Launen und Leidenschaften ungebändigt umherspringenden Kater.

Selbst die Tragödien des allzu Menschlichen waren dem Hanna-Barbera-Team nie fremd: Nicht von ungefähr funktionierten die „Flintstones“ ab 1960 als Zeichentrickserie wie eine in die Steinzeit zurückgebeamte Fifties-Sitcom; und die wenig später folgenden „Jetsons“ waren das gleiche Gemenge aus Suburb-Leben, Bürostress und ähnlichen nuclear family values, nur eben als Science-Fiction.

Von heute aus erscheinen die schlichten Charaktere als ein Abbild des Triumphs der Ware Fernsehen. Immerhin waren es die billigen TV-Massencartoons gewesen, die die teuer produzierten Animationen der Filmindustrie in genau diesen Jahren abgelöst hatten. 1957 schloss MGM seine Cartoonabteilung, woraufhin Hanna und Barbera ihre eigene Firma gründeten und auf NBC mit ihrer „Ruff & Reddy Show“ debütierten, den ersten Zeichentrickfilmen im Serienformat.

Barbera wusste sehr wohl, was er ablieferte. „Vieles war Trash“, hat er rückblickend in einem Fernsehinterview 1997 auf ABC gesagt. Doch dafür gab es ökonomische Gründe. Während ein fünfminütiger Cartoon mit Bugs Bunny damals gut 60.000 Dollar kostete, kam ein entsprechend langer Kurzfilm aus dem Hause Hanna-Barbera gerade einmal auf 3.000 Dollar – eben weil jede Bewegung auf das Nötigste reduziert war: das holzschnittartige Kopfwackeln von Fred Feuerstein, die steif rotierenden Arme von Yogi-Bär. Die Kinder jedenfalls hatte Barbera mit der Low-Tech-Animation auf seiner Seite. Yabbadabbadoo! HARALD FRICKE