„Gelsenkirchen muss doppelt zahlen“

Städteplaner Alfred Luggenhölscher warnt Kommunen vor der finanziellen Geiselhaft bei Privatunternehmen

taz: Herr Luggenhölscher, darf eine Stadt ihre Gebäude aus der Hand geben?

Alfred Luggenhölscher: Das sollte sie nicht. Es war sehr vernünftig, dass Gelsenkirchen bereits das Betreiberkonzept für das Hans Sachs-Haus gekündigt hat. Sonst wären unüberschaubare Kosten entstanden. Jetzt muss die Stadt die Kündigung abwickeln.

Aber ursprünglich hatte Gelsenkirchen doch gehofft, durch die privaten Betreiber Geld zu sparen.

Schon mit der Entscheidung für den privaten Partner war abzusehen, dass die Stadt die Mieten nur aus Krediten bezahlen kann. Ihren Beratern hätte das auffallen müssen.

Warum nehmen Kommunen die Risiken von öffentlich-privaten Partnerschaften, den PPPs, in Kauf?

Das liegt daran, dass bei den Berechnungen für die Projekte offensichtlich einige Daten nicht berücksichtigt wurden. In Gelsenkirchen wie bei anderen hochverschuldeten Kommunen, müssen für PPP-Projekte doppelte Zinsen bezahlt werden. Einmal Zinsen für die Kredite, mit denen die Miete bezahlt wird und zusätzlich der Zinsanteil des Betreibers aus seinen Krediten. Der finanzielle Vorteil von fünf bis 20 Prozent, den die Berater für die Städte ausgerechnet haben, geht nur auf, wenn diese Zusatzkredite nicht berücksichtigt werden.

Woher kommt Ihre grundsätzliche Skepsis?

Bei verschuldeten Kommunen gibt es kein positives Beispiel für den Einsatz von PPPs. Eines der ersten Projekte in NRW ist in Gladbeck gelaufen. Dort ging es um die Erweiterung des Rathauses. Aus den Unterlagen geht hervor, dass die unvermeidlichen Kosten für die zusätzlichen Kredite zur Mietzahlung auch dort nicht in die Berechnung eingeflossen sind. Die Kosten für die auf 25 Jahre befristete Miete liegt durch diesen Effekt etwa 50 Prozent höher als kalkuliert. Das ist politisch nicht zu vertreten.

Das heißt, am besten sollte keine Kommune solche Geschäfte eingehen?

Ja, sie sollten Projekte lieber selbst organisieren, die Preise von unterschiedlichen Anbietern vergleichen. Klassische Projekte mit öffentlicher Ausschreibung, finanziert durch günstige Kommunalkredite sind für die Stadt sinnvoller.

Was halten Sie davon, dass Gelsenkirchen heute eine Abfindung beschließt?

Die Stadt musste die Reißleine ziehen. Sie ist auf Grundlage falscher Beratung und fehlender Abwägung ins Verderben gerannt und muss nun Federn lassen.

INTERVIEW: M. SCHRÖDER