„Henrico muss er selbst bleiben dürfen“

Brigitte Vallenthin verteidigt ihre Pressearbeit für den zurzeit prominentesten Arbeitslosen der Bundesrepublik

taz: Frau Vallenthin, Sie betreuen den berühmtesten Arbeitslosen der Republik, Henrico Frank. Die anderen Arbeitslosenverbände sind allerdings entsetzt über Ihre PR-Arbeit.

Brigitte Vallenthin: Das ist nur Neid, um es vorsichtig auszudrücken. Die anderen Verbände wollen sich nun auch auf das Trittbrett Henrico schwingen.

Aber stehen jetzt nicht alle Arbeitslosen wie Faulenzer da, weil Frank einen Termin mit dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Beck abgesagt hat?

Das sehe ich genau umgekehrt. Wenn sich Henrico mit Beck getroffen hätte, wäre das nur ein guter PR-Gag für die SPD gewesen. Der gute Papa Beck hätte einem armen Arbeitslosen ein schönes Weihnachtsgeschenk gemacht, indem er einen Job besorgt. Über das allgemeine Thema Arbeitslosigkeit wäre nicht geredet worden, denn das fürchtet die Gerechtigkeitspartei SPD wie der Teufel das Weihwasser.

Dafür wird jetzt darüber geredet, dass Frank lieber bei einem Adventskaffee saß, als mit Beck zu sprechen.

Der eigentliche Grund für unsere Absage war ein anderer. Das Büro Beck hat verlangt, dass Henrico Frank alleine kommt. Er wollte aber vom Vorstand der Wiesbadener Hartz-IV-Plattform begleitet werden.

Damit haben Sie allerdings der Bild -Zeitung eine richtige Steilvorlage geliefert, um Henrico als arbeitsscheu darzustellen.

Gegen die Bild habe ich sowieso keine Chance. Die schreibt, was sie will, seitdem wir einen Exklusivvertrag verweigert haben. Was hat die Bild-Redakteurin gebettelt! Fast auf Knien hat sie vor mir gelegen. Aber Henrico wollte sich nicht kaufen lassen. Es geht nicht um ihn, er will auf das Schicksal aller Arbeitslosen aufmerksam machen.

Bei vielen Bürgern dürfte aber der Eindruck aufkommen, dass Arbeitslose an ihrem Schicksal selbst schuld sind, wenn sie so verlottert aussehen wie Frank.

Punk ist eben sein Ding. Er bewirbt sich nicht als Bankangestellter und wird auch keine akademische Karriere anstreben. Die Bild-Zeitung wollte ihm gleich einen Boss-Anzug kaufen – was für ein Irrwitz.

Bestimmt käme er in der Öffentlichkeit besser an, wenn er wenigstens eine ordentliche Frisur hätte.

Henrico muss er selbst bleiben dürfen. Das ist eine Voraussetzung der Menschenwürde und unseres Grundgesetzes. Über das Äußere von Herrn Beck kann man übrigens auch geteilter Meinung sein.

Inzwischen hat Frank alle sieben Jobs abgelehnt, die ihm Beck vermittelt hat – ohne sich überhaupt bei den Firmen vorzustellen.

Dazu war keine Zeit. Wir hatten die Liste der Firmen viel später als die Presse – und gleichzeitig hat der Wiesbadener Sozialdezernent verlangt, dass Henrico sofort einen der Jobs annimmt. Sonst würde ihm das Hartz-IV-Geld gekürzt. Also habe ich alle Betriebe durchtelefoniert: Alle Arbeitgeber haben Henrico abgelehnt, weil sie ihm die schwere körperliche Arbeit gar nicht hätten zumuten können. Denn er hat Rückenprobleme und eine kaputte Schulter.

Es soll auch ein Coaching-Angebot geben.

Das ist bei uns noch nicht eingetroffen. Das lesen wir immer nur in der Presse. Aber das wäre hochspannend.

INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN