Zuchtkabeljau kann das Problem Überfischung nicht lösen

Die Farmen laufen gut, bald wird es sogar Biokabeljau geben. Kein Wunder, werben doch Pierce Brosnan und Demi Moore für die Produkte

SHETLAND-INSELN taz ■ Kabeljau lebt nicht nur wild im Meer – man kann ihn auch züchten. Vor Norwegen existieren bereits rund 100 Kabeljaufarmen. Nun kommt eine weitere Neuheit auf den Markt: Biokabeljau. Er wird erstmals von der Firma Johnson Seafarms vor den britischen Shetland-Inseln gezüchtet. Supermärkte in den USA und in Großbritannien werden bereits beliefert; Frankreich, Belgien, Luxemburg und die Niederlande sollen folgen. Der deutsche Markt ist für 2007 angepeilt.

Bisher war Johnson Seafarms auf Lachse spezialisiert und verkauft mehr als zwei Millionen Fische im Jahr. Aber ein Preiskrieg mit Lachszüchtern in Chile und Norwegen hat die Firma veranlasst, sich zu diversifizieren. Denn am Ende erzielte ein Zuchtlachs noch nicht einmal mehr den Gegenwert eines Fabrikhühnchens.

Londoner Investoren waren so überzeugt von den Absatzchancen für Biokabeljau, dass sie bereit waren, 30 Millionen Pfund vorzustrecken. Denn Kabeljau verspricht deutlich pflegeleichter als Lachs zu sein. So wird er nicht von Seeläusen befallen, weswegen auf den Einsatz umweltschädlicher Pestizide verzichtet werden kann. Auch Antibiotika sind nur alle drei Jahre nötig – wenn sie von einem Tierarzt verschrieben werden. Zudem muss die Fleischfarbe des Kabeljaus nicht künstlich durch Pigmente verstärkt werden. Und schließlich ist Kabeljau nicht so fett wie Lachs. Angenehmer Nebeneffekt: Er kann Gifte wie PCB nicht so stark speichern. Auch dürfte der Zuchtkabeljau frischer schmecken als sein wilder Artgenosse, prognostiziert zumindest Karol Rzepkowski von Johnson Seafarms: „Meereskabeljau ist oft mehr als eine Woche auf den Fischerbooten unterwegs ist, bevor er überhaupt die Küste erreicht.“

Inzwischen hat die Firma zwei wichtige Ökosiegel für ihren Biokabeljau erhalten – von der britischen „Organic Food Federation“ und von der deutschen „Naturland“. Als Werbeträger konnten Pierce Brosnan und Demi Moore gewonnen werden.

Johnson Seafarms verspricht, aus den Fehlern der Lachszucht zu lernen, wo oft so viele Tiere in den Käfigen untergebracht werden, dass sie kaum mehr Manövrierraum haben als Legehennen. Höchstens 10 Kilo Fisch sollen in den Kabeljaukäfigen auf einen Kubikmeter Wasser kommen; in traditionellen Lachsfarmen sind es oft bis zu 50 Kilo. Zusätzlich sollen Spielzeuge wie Plastiktunnel oder Seile den Käfigkabeljau bei Laune halten. Allerdings ist er sowieso längst nicht so bewegungsfreudig wie der Lachs, der in freier Wildbahn weite Strecken zurücklegt. „Unser Kabeljau ist glücklich und zufrieden“, sagt Rzepkowski.

Zudem sind die Fischfarmen ökologisch verträglicher, wenn sich nicht allzu viele Tiere in den Käfigen stapeln. Denn der Fischkot verseucht den Meeresboden, alles Leben stirbt dort ab. Der Fischereiexperte Helmut Thetmeyer vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel hat im Sommer die Umgebung der neuen Kabeljaufarmen untersucht. Er war angetan von seinen Messergebnissen: „Nur 25 Meter entfernt von den Käfigen war der Meeresboden wieder in Ordnung.“

Der World Wildlife Fund (WWF) sieht die ökologischen Kabeljaufarmen positiv. „Wir hoffen, dass noch mehr konventionelle Fischzuchtbetriebe umsteigen.“ Dennoch warnt die Sprecherin der Tierschutzorganisation, Maren Esmark, vor allzu großem Optimismus: „Zuchtkabeljau wird niemals das Problem der Überfischung lösen. Wir haben die Bestände des wilden Kabeljaus vollkommen ruiniert.“MARK LATHAM (Übersetzung: UH)

Der Autor ist Reporter der „Shetland Times“ und war als Austauschjournalist bei der taz im Rahmen des George-Weidenfeld-Programms