Landschaft im Sack

Vier Tage am Nordkap (I): Die Thailänderin K. hat sich entschieden und führt Touristen durch den kahlen Norden

Es ist jetzt wieder dunkel am Nordkap. Der Sommer ist vorbei, die letzten Touristen mit ihren behäbigen Caravans sind schon vor Wochen abgereist. Die Nächte hören jetzt nicht mehr auf. Erst Ende Januar wird es neues Licht geben. Dunkelheit und Schnee sind über den Norden Norwegens gefallen, als wäre die ganze Gegend in einen Sack gerutscht. Es ist die Zeit, wenn es gegen die Schwere des Daseins teuren Alkohol gibt, aber sonst nicht viel. Der Club der Schachspieler, der Club der Weintrinker und der Club der Besitzer amerikanischer Autos treffen sich jetzt immerhin wieder regelmäßig im Clubhaus.

Es ist der vierte Winter, den die Thailänderin K. hier mitmacht. Sie sagt nicht, dass es schlimm ist. Sie hat sich entschieden. K. hat ihren norwegischen Mann im Internet kennen gelernt. Die beiden haben für 200.000 Kronen am Stadtrand ein Haus mit Fernwärmeheizung gekauft.

Als K. zehn Jahre alt war, wanderte ihre Familie nach Moskau aus. Die Eltern arbeiteten dort bei einem Radiosender. Als junge Frau ging K. nach Ungarn, weil es dort billig war und sie keinen kannte. Dort verliebte sie sich in einen Ostberliner. Die Liebe endete nach ein paar Jahren in einer Wohnung in Berlin-Friedenau. K. begann, sich umzusehen.

Das norwegische Arbeitsamt inseriert seine Angebote im Internet. K. spricht Thailändisch, Russisch, Ungarisch und Deutsch, ein Beruf in der Fremdenverkehrsbranche bot sich irgendwie an. Jetzt fährt K. im Sommer Touristen mit einem breiten Reisebus durch die kahlen Hügel am Nordkap. Sie kommt gut zurecht in Norwegen. Sie zieht sich dicke Pullover an und sagt, das Wollgras und die Rentiere seien besser als die Sehenswürdigkeiten Thailands. Die Busse der Fremdenverkehrsgesellschaft fahren am Hafen neben den rostigen Lagerhallen der Fischfabrik ab. KIRSTEN KÜPPERS