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: Scherze mit der Mona Lisa, Traurigkeit bei Karpfen – zweimal so richtig nette Bücher zum Jahresende

Ernst ist das Leben, heiter die Kunst. Das sagt man so leicht dahin, aber man wünscht es sich doch oft anders. Zum Jahresende könnte das Leben gerne mal etwas fröhlicher sein, ohne dass die Kunst deshalb im Umkehrschluss ernst werden müsste. Sowieso ist es wohl eher so, dass heitere Kunst auch das Leben heiter macht. Der Beweis dafür ist dieses Buch – quadratisch, praktisch und viel besser als nur gut. Die beiden französischen Künstler, die es gemacht haben, kann man nur beneiden, weil sie sich diesen schönen Traum erfüllen konnten: Nächtelang haben sie sich in die größte Kunstsammlung der Welt einschließen lassen.

Der ganze Louvre für zwei Leute – kein Wunder, dass die beiden vor Glück übermütig wurden. Nun sind sie nicht die ersten, die ihre Scherze mit der Mona Lisa und anderen Promis der Kunstgeschichte treiben, doch die meisten Versuche dieser Art haben eher peinlich geendet. Hier aber ist es nicht nur witzig, sondern ergibt auch Sinn.

Die Grand Dame also als Übermalung und als Foto, auf dem neun Männer und Frauen posieren. Der Nike von Samothrake, an der auch kein Halbbildungsbürger vorbeikommt, haben sie einen Vogelkopf aufmontiert. Sehr schön auch „Das Floß der Medusa“, nachgebaut mit Playmobilfiguren. Neben „Leda mit dem Schwan“ von Gericault kann man „Gabi in der Badewanne“ bestaunen. Nicht schlecht auch die ägyptische Mumie und dazu eine wie eine Mumie umwickelte Barbie-Puppe. Man könnte nun lange schwadronieren, was man mit dieser Art der Kunstbetrachtung alles lernen kann – Vorsicht! Sehschule. Man kann die Kunst aber auch Kunst sein lassen und die Heiterkeit genießen, die einen beim Blättern in diesem Buch zwangsläufig befällt.

Und noch etwas richtig Nettes zum Jahresende. „Hör zu, es ist kein Tier so klein, das nicht von dir ein Bruder könnte sein“. So einen Titel kann man sich nicht ausdenken, den kann man nur klauen. Dieser ist bei dem französischen Vagantendichter François Villon abgeschrieben – „Eine kleine Ballade von dem Mäuslein, das in Villons Zelle Junge bekam“. Das ist ein Einstieg, der alle Bedenken, man müsse wieder mal tierisch Possierliches über sich ergehen lassen, mit einem Seufzer hinwegfegt. „Mein Gott, die lütten Dinger, noch ganz nackt / und blind: wie hat das Elend mich gepackt! / Ich glaub, dass mir was Nasses in die Augen kam. / Dabei hat manches Mädchen schon von mir / ein Kind gekriegt und starb vor Scham.“

Einspruch: Nett ist das nicht? Einspruch stattgegeben. Aber das Tier ist nicht nur der Bruder des Menschen, sondern auch die Heiterkeit die Schwester der Melancholie. Am Schönsten kommt das zusammen in einem Gedicht von Apollinaire. Passend zum Jahresende geht es um einen Karpfen, wie er von der älteren Generation zu Neujahr immer noch gerne gegessen wird. In der Illustration von Sabine Wilharm hat dieser Karpfen die Farbe von Modder, den Buckel einer Schildkröte, Kiemen wie ein Walross und einen Blick wie – ach, zum Weinen. „In euren Teichen, euren Gräben / Wie mögt ihr Karpfen, lange leben! / Holt euch der Tod am Ende nie, / Geschöpfe der Melancholie?“

Von H. C Artmann über Jandl, Baudelaire und Goethe reicht der Reigen der Dichter, zu den Illustratoren gehören Wolf Erlbruch, Nikolaus Heidelbach, Jacky Gleich, Hans Traxler, Ole Könnecke und wie sie alle heißen. In seinem Vorwort behauptet Michael Krüger, dass Tiere Gedichte lieben und Dichter Tiere. Die wahren Tierversteher aber sind die Kinder. Und wenn man als Erwachsener lange genug in diesem Band blättert, hat man das Gefühl, wieder wie ein Kind mit den Tieren sprechen zu können. Ist das nicht schön?

               ANGELIKA OHLAND

Katy Couprie, Antonin Louchard: „Die ganze Kunst“. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2006, 256 Seiten, 15,90 EuroArmin Abmeier (Hg.): „Hör zu, es ist kein Tier so klein, das nicht von dir ein Bruder könnte sein“. Carlsen Verlag, Hamburg 2006, 144 Seiten, 24,90 Euro