Silvester trennt arme und reiche Eltern

Seit Neujahr gilt für die Mütter und Väter Neugeborener das neue Elterngeld. Viele nicht berufstätige Mütter aber waren froh, wenn sie ihr Baby noch vor dem 1. Januar, null Uhr, bekamen – für sie ist die alte Regelung zum Erziehungsgeld günstiger

BERLIN dpa/taz ■ Es war die viel diskutierte Frage vor dem 1. Januar: Versuchen Eltern die Geburt ihres Kindes bis über den Jahreswechsel hinauszuschieben, um nur ja in den Genuss des Elterngeldes zu kommen? Oder spielen solche Überlegungen in der Dramatik des Geburtsgeschehens keine Rolle?

„Einer Frau war es gleich, dass sie ihr Kind noch am Silvesterabend vor Mitternacht bekam“, erzählt eine Hebamme des Martin-Luther-Krankenhauses in Berlin der taz, „während einer Geburt denkt man an andere Dinge.“ Doch spätestens wenn das Baby da ist, wird nachgerechnet: Wer an Silvester den Nachwuchs nach Mitternacht auf die Welt brachte, profitiert von der neuen Regelung, die einem pausierenden Elternteil zwölf Monate lang 67 Prozent des letzten Nettoeinkommens garantiert. Eine Mutter kann so bis zu 21.600 Euro erhalten. Für Gutverdiener ist das erheblich mehr als das frühere Erziehungsgeld.

Kein Wunder also, dass sich Reporter in der Neujahrsnacht aufmachten, um Mütter zu interviewen, die darum bangten, ihren Nachwuchs nur ja termingerecht nach Mitternacht auf die Welt zu bringen. Aber sie stießen auf nicht wenige Frauen, die froh darüber waren, noch vor Mitternacht entbunden zu haben. Sie fallen noch unter die alte Regelung zum Erziehungsgeld. Und damit stehen sich Geringverdiener und Studierende oft besser, weil sie dann bis zu 24 Monate lang einen monatlichen Betrag von 300 Euro erhalten.

Eine Agentur-Journalistin traf auf die 28-jährige Sabine Gürtler, die noch am 31. Dezember ihren Sohn zur Welt brachte, „für uns ist das sehr günstig, weil wir damit weiter Erziehungsgeld erhalten“, freute sich die Mutter, die nicht berufstätig ist und daher als Elterngeld nur den Minimalbetrag erhalten hätte. Auch die drei türkischen Mütter, die am Silvestertag im Berliner St.-Joseph-Krankenhaus ihre Kinder bekamen, profitierten davon, dass sie noch unter die alte Regelung zum Erziehungsgeld fielen. Sie waren alle drei Hausfrauen.

Das erste Neujahrsbaby in den Berliner Vivantes Kliniken, das um 1.03 Uhr im Auguste-Viktoria-Krankenhaus das Licht der Welt erblickte, beschert der Mutter jedoch mehr Elterngeld, als sie unter der alten Regelung bekommen hatte. Das neue Elterngeld spiele eine große Rolle, erzählte Mutter Julia Gotschlich.

In den vergangenen Wochen war viel darüber geredet worden, inwieweit sich eine Geburt hinauszögern ließe. „Aus medizinischer Sicht ist das unverantwortlich und wird nur gemacht, um eine Frühgeburt zu verhindern“, hatte Oberärztin Claudia Gerloff von der Universitätsklinik Magdeburg erklärt. So werden wehenhemmende Mittel nur bei strenger medizinischer Indikation verabreicht, denn ein Verzögern der Geburt kann zum Schaden des Kindes sein. BD

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