Aus für Lausitzer Schutzgebiet

Nach dem sorbischen Dorf Lacoma soll nun auch das angrenzende Naturschutzgebiet dem Braunkohletagebau weichen. Angeblich hat die EU ihr Plazet gegeben

BERLIN taz ■ Vattenfall hat keine Zeit verstreichen lassen. Kaum war klar, dass das Naturschutzgebiet rund um die Lacomaer Teiche bei Cottbus dem Braunkohletagebau geopfert werden darf, begannen Arbeiter im Auftrag des Energiekonzerns in dem Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiet (FFH) mit dem Fällen von Bäumen. Den Planfeststellungsbeschluss hatte das Brandenburger Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe schnell noch vor den Feiertagen verabschiedet.

Die Bäume sollen für eine Feldriegeltrasse weichen, die für die Grundwasserabsenkung gebraucht wird. Denn unter den Teichen liegen 40 Millionen Tonnen Braunkohle. Jährlich will das Unternehmen etwa 5 Millionen abbaggern und verstromen.

Der Kampf um die Lacomaer Teiche und die angrenzenden Erlenbrüche dauert bald ein Jahrzehnt. Zuletzt setzten die Naturschützer vor allem auf die Europäische Union, ohne deren Zustimmung FHH-Gebiete nicht abgebaggert werden dürfen.

Das drei Quadratkilometer große Teichgebiet beherbergt mit 5.000 Exemplaren die deutschlandweit größte Population der streng geschützten Rotbauchunke. Ebenfalls hier beheimatet ist der vor dem Aussterben stehende Eremitenkäfer. Zudem bietet das Gebiet Wiedehopf, Rohrdommel, Laubfrosch, Fischotter und geschützten Schmetterlingsarten Lebensraum.

Flora-Fauna-Habitate dürfen nach EU-Recht nur zerstört werden, wenn es von „übergeordnetem öffentlichem Interesse“ ist. Die Energieversorger haben es nun geschafft, dass die EU ihr Plazet dafür gibt. Die sichere Stromversorgung und der Erhalt von Arbeitsplätzen gingen vor, der Naturschutz wird nachgestellt. So argumentiert das Bergbauamt im Planfeststellungsbeschluss und bezieht sich auf einen Brief aus Brüssel.

Falsch, sagen die Naturschützer. Sie gehen gerichtlich gegen die Entscheidung vor und wollen über eine Zwischenverfügung einen Aufschub erwirken, damit Vattenfall das Biotop nicht zwischenzeitlich unwiderruflich zerstören kann. „Der Planfeststellungsbeschluss ist rechtswidrig“, meint René Schuster von der Grünen Liga. So lange ein FFH-Schutzgebiet wie die Lacomaer Teiche zwar gemeldet, aber nicht in die EU-Liste aufgenommen ist, dürfe es nicht angetastet werden. Auch könne Brandenburg seine Klimaschutzziele nicht erreichen, wenn es jährlich zusätzlich fünf Millionen Tonnen Braunkohle verstrome. Schuster selbst hat bis 2005 im Dorf Lacoma unweit der Teiche gelebt, bevor die Häuser vom Stromkonzern zerstört wurden. Dass das sorbische Dorf dem Braunkohletagebau weichen soll, planten bereits die DDR-Behörden.

Der Widerstand gegen die Zerstörung Lacomas hat mit der jetzigen Entscheidung eine neue Qualität erreicht. Zuerst haben die Menschen für das Dorf gekämpft. Einmalig in der DDR sei gewesen, dass Frauen aus Lacoma nach Berlin gereist sind und eine Eingabe beim Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker machten, das Dorf zu verschonen, berichtet Schuster.

Nach der Wende kam der Kampf um den Erhalt der Teiche dazu. Nun, da beides nahezu verloren ist, verlagert sich die Auseinandersetzung auf die gesellschaftliche Ebene. Was ist von „übergeordnetem öffentlichem Interesse“? Die wirtschaftlichen Interessen eines global agierenden Unternehmens oder der Erhalt eines in Jahrhunderten gewachsenen Biotops? Was ist mehr wert: Kurzfristige Wertschöpfungsinteressen oder Nachhaltigkeit und Klimaschutz?

Die Lausitz ist dabei, auszutrocknen und zur Wüste zu werden. Tagebau und Klimawandel beschleunigen diesen Prozess. „Das Gleichgewicht der Wasserversorgung wird durch den Tagebau gestört“, bestätigt auch Markus Füller, der Pressesprecher von Vattenfall. Folgeschäden wie jene, dass die Bauern das Land aufgrund des fehlenden Wassers immer weniger bewirtschaften können, flössen in die Argumentation vom „übergeordneten öffentlichen Interesse“ nicht ein, sagt Schuster von der Grünen Liga. WALTRAUD SCHWAB