Alter Held für den neuen Kongo

Antoine Gizenga, der letzte führende Mitstreiter von Kongos Befreiungsheld Lumumba, wird Premierminister des Landes. Er wird es nicht leicht haben mit Präsident Kabila

BERLIN taz ■ Er ist ein lebendes Fossil der afrikanischen Politik. Kongos neuer Premierminister Antoine Gizenga, 81 Jahre, könnte der Großvater des Präsidenten Joseph Kabila sein, der ihn am Samstag per Dekret zum Regierungschef ernannte. Mit dem 35-jährigen Kabila hat Kongo bereits den jüngsten Präsidenten Afrikas; mit Gizenga kriegt es nun Afrikas ältesten Premierminister, in Gestalt des letzten überlebenden Revolutionärs der antikolonialen Befreiungsära.

Als Gizenga so alt war wie Kabila heute, im Jahr 1960, wurde Kongo gerade unabhängig. Damals wurde Gizenga Vizepremierminister unter dem Befreiungshelden Patrice Lumumba. Als in den Wirren der Jahre 1960/61 Lumumba ermordet wurde, übernahm Gizenga die Führung des Widerstands der Lumumba-Anhänger. Er wurde Präsident der Lumumba-treuen „Regierung von Stanleyville“ im heutigen Kisangani, die zeitweise die Hälfte des Landes kontrollierte, bis Kongos Armee unter General Mobutu mit US-Hilfe die Rebellen bezwang. Gizenga kam in Haft und ging 1965 ins Exil.

Jahrzehntelang lebte Gizenga danach in der Sowjetunion, vereinsamt und vergessen. Als er 1992 nach Kinshasa zurückkehrte, merkte das kaum jemand. Dass er dann mit der Vereinigten Lumumbistischen Partei (Palu) eine für Afrika untypische Mischung aus Kaderpartei und sozialistischer Massenbewegung aufbaute, wurde als nostalgische Verirrung belächelt. Bis Gizenga bei Kongos ersten freien Präsidentschaftswahlen im Juli 2006 aus dem Stand heraus 13 Prozent der Stimmen bekam und den dritten Platz errang, mit hohen Mehrheiten in seiner Heimatprovinz Bandundu und Teilen Kinshasas. Da wurde aus dem Fossil der Königsmacher zwischen den Spitzenkandidaten Joseph Kabila und Jean-Pierre Bemba in der Stichwahl.

Vor die Wahl gestellt zwischen Kabila, dessen Vater in den 60er-Jahren mit den Lumumbisten gekämpft hatte, und Bemba, dessen Vater unter Diktator Mobutu reich geworden war, entschied sich Gizenga für alte Loyalitäten, also für Kabila, und gegen den Zeitgeist der Gegenwart, der Kongos Oppositionelle sonst eher zu Bemba neigen lässt.

Gizengas Preis war hoch: Premierminister wollte er werden. Das hat er nun geschafft. Jetzt bleibt zu sehen, ob der 81-Jährige mehr sein kann als eine machtlose Symbolfigur. In Kongos neuer demokratischer Verfassung ist es der Regierungschef und nicht mehr der Staatschef, der die Regierungsgeschäfte führt und vor dem Parlament verantwortet. Und der Lumumbistenführer hat in seinen wenigen öffentlichen Äußerungen klargestellt, dass er sich durchaus gegen Kabila stellen will. Er werde keinen Politiker in seine Regierung aufnehmen, der während des Krieges an Ressourcendiebstahl beteiligt war, hat Gizenga gesagt – einige der mächtigsten Mitstreiter Kabilas wären damit außen vor.

Doch ob er damit durchkommt, ist fraglich. Seine Partei Palu mit lediglich 34 von insgesamt 500 Sitzen in Kongos neugewähltem Parlament wird in der neuen Regierung eine eher untergeordnete Rolle spielen. Kabilas Parteienbündnis AMP (Allianz der präsidialen Mehrheit) hält mit 332 Mandaten die absolute Mehrheit und kann daher theoretisch auch ohne Gizenga regieren. Ihren Machtanspruch hat die AMP bereits klargemacht, indem sie sämtliche Leitungsposten im Parlament an sich gerissen hat. Auch die Aufteilung der Ministerposten liegt derzeit in den Händen der AMP-Führung.

Kongos führende Tageszeitung Le Potentiel charakterisiert Gizenga bereits als „Chamäleon, das wie auf Eiern geht“. Die parlamentarische Opposition wird vom gescheiterten Präsidentschaftskandidaten Jean-Pierre Bemba angeführt, der Gizenga als Opportunisten vorführen wollen wird. Aber Gizenga hat bisher alle Skeptiker getäuscht. Sollte er sich ausgebootet fühlen, könnte er mit seiner Massenbasis Kinshasa unregierbar machen. DOMINIC JOHNSON