Beim Barte des Parteivorsitzenden

Fünfzig Betroffene kommen nach Mainz, um gegen Hartz IV zu protestieren. Kurt Beck lässt sich vertreten

MAINZ taz ■ „Den Henrico“ wollten sie gestern in Mainz gar nicht dabei haben, die Initiatoren der Protestveranstaltung „Kurt Beck gibt uns einen Job“. Um zehn Uhr morgens traf man sich direkt vor der Staatskanzlei des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck, der auch Bundesvorsitzender der SPD ist. Henrico Frank, der „frechste Arbeitslose Deutschlands“ (Bild), hätte doch nur wieder die Aufmerksamkeit der Medien einzig auf seine Person gelenkt, meint etwa Heinz-Jürgen Geissler vom Bezirksausschuss Erwerbslose der Gewerkschaft Ver.di Wiesbaden-Limburg. Und da wäre ihm dann „glatt der Arsch hochgegangen“.

Brigitte Vallenthin, Franks Vertreterin, nannte man gestern nur „die Henne“. Sie habe versucht, das Event vor dem prächtigen Mainzer Schloss als ihre Idee zu verkaufen und so zusätzlich für Wut unter den Betroffenen gesorgt. Schließlich hätten Erwerbsloseninitiativen in ganz Deutschland zu der Aktion am 2. Januar aufgerufen, so Geissler.

Auch ohne Henrico Frank und Brigitte Vallenthin waren zahlreiche Medienvertreter nach Mainz gekommen. Viel Polizei war auch da. Einige Aktivisten der Linkspartei kamen mit roten Fahnen. Und der Revolutionäre Sozialistische Bund, „Teil der 1938 gegründeten IV. Internationale“, forderte auf einem Flugblatt das „Verbot von Entlassungen“.

Was eigentlich fehlte, waren echte Arbeitslose, Hartz-IV-Empfänger, Leute, die sich von der einzigen Friseurin, die mit den Organisatoren des Spektakels aus Nordrhein-Westfalen per Komfortbus angereist war, tatsächlich die Haare schneiden lassen wollten. Nur 50 Betroffene waren gekommen, ein Erwerbsloser aus Gelsenkirchen fand das „todtraurig“.

Schließlich wurde einem Mann aus Oberhausen die lange Mähne etwas gestutzt. Einem Arbeitslosen aus Mainz der Schnurrbart getrimmt. Und einem Dritten das gepflegte seidige Haar ausgiebig gekämmt. Zuvor war ein Konterfei des dick mit Rasierschaum eingeseiften Kurt Beck an den Zaun vor dem Schloss geheftet worden, daneben das Plakat: „Stoppt die große Koalition. Von 345 Euro im Monat kann kein Mensch leben.“

Organisator Martin Behrsing vom Erwerbslosenforum Deutschland warf Beck in seiner Rede vor, nur ein Ziel zu verfolgen: der Bevölkerung einzutrichtern, dass „der Erwerbslose selbst schuld an seiner Lage“ sei. Zuerst mit der von ihm losgetretenen Unterschichtdebatte, kurz darauf mit der Aufforderung an Henrico Frank, sich zu waschen und sich die Haare schneiden zu lassen, um einen Job zu bekommen.

Der Berliner Politikwissenschaftler Peter Grottian nannte Hartz IV das „gigantischste Täuschungsmanöver in der Geschichte der BRD“ – die Menschen würden verelenden; neue Arbeitsplätze würden nicht geschaffen. Die SPD habe nicht erst in der großen Koalition, sondern schon unter Schröder die „Seele der Partei verraten“. Nach der Kundgebung überbrachte eine Delegation der Initiativen dem Leiter der Staatskanzlei die zuvor eingesammelten Bewerbungsunterlagen einiger Langzeitarbeitsloser. Einer sagte, er wolle gern Imageberater von Beck werden, „weil der Kerl immer so unrasiert durch die Gegend läuft“.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT